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Schenkelbrand ja - unter Betäubung... PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Peter Cronau   
Montag, 18. Oktober 2010 um 16:17

 

 

Fünf Tierärzte - Sieben Meinungen! Unter diesem Motto könnten die Diskussionen um den Schenkelbrand bei Warmblutpferden stehen. Jeder hat was zu sagen: Tierärzte, Züchter, Zuchtverbände, Tierschützer, Tierschutzaktivisten, Pferdebesitzer, Gelehrte und solche, die glauben einer zu sein. Es wird Zeit, sich wieder auf die Basis zuzubewegen. Es geht nämlich um das Tier und nicht um Markt und Kommerz. Ein Kommentar von Dr. Peter F.Cronau.

 

 

Der Heißbrand wird historisch seit dem Altertum als Kennzeichnung von Pferden beschrieben. Tatsächlich handelt es sich um eine unveränderliche Markierung.

 

Empfindet das Pferd Schmerz?

Was ist ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes?

 

Es sei vorweggenommen: Das Anbringen des Schenkel-, Mähnen- bzw. Sattellagenbrandes verursacht Schmerzen sowohl beim Fohlen als auch beim erwachsenen Pferd. Im Nachfolgenden wird sowohl historisch als auch allgemein der Versuch gemacht, die Hintergründe des Schmerzes bei Tieren aufzuzeigen. Sie sollen dazu dienen, populistisches Auftreten zu versachlichen und dem Interessierten Gelegenheit geben, sich eine eigene Meinung über dieses Problem anzueignen. Wer das seriös macht, wird zu denselben Konsequenzen kommen, zu denen meine Entwicklung beigetragen hat.

 

Die Medizingeschichte zeigt allerdings unterschiedliche Interpretationen auf. In der Neuzeit spricht Descartes dem Tier jedes Bewusstsein ab. Es habe keine Sprache, keine Vernunft und keinen Esprit und die Tierseele sei der vom Menschen gänzlich verschieden. Von dieser Theorie Descartes ist eine unselige Wirkung durch die Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag ausgegangen und manche Tierquälerei hat sich bei Cartesius Grund für eine Entschuldigung geholt.

 

Dagegen erheben Schopenhauer und seine Nachfolger bis auf den heutigen Tag gegen Menschen – im Besonderen gegen die vom Christentum wesentlich bestimmte Denk- und Lebenswelt - den leidenschaftlichen Vorwurf, dass sie weder in der Theorie noch in der Praxis dem Tier gerecht geworden sei.

 

So schwankt das Bild des Tieres nach der Ansicht noch vieler Denker und Forscher in den Zeiten für den Menschen, je nach seinem Weltbegriff und seiner Einschätzung vom menschlichen Sein und Wollen. Das Problem aber bleibt.

 

Was geschieht beim Brennen?

 

Was geschieht an der äußerlichen Haut – der Stelle, der das Brenneisen ausgesetzt ist? Spezifische, inter- und intracellulär im freien Endnetz auslaufende Nervenendigungen werden durch unphysiologische Reize – Schmerzreize – in ihren Grenzflächen depolarisiert und in Erregung versetzt. Diese Erregung läuft als Entladungs- und Umladungswelle, als Aktionsstrom über die zugehörige Nervenfaser zentral. Dieser Strom, der 30-50 µV stark ist, läuft mit einer gewissen, nach den Fasern verschiedenen Schnelligkeit – etwa 2-100 m/sec zum Rückenmark und über dieses zum Gehirn.

 

Im Gehirn schließen sich zwei ganz verschiedene Mechanismen an, der eine führt zur reinen Schmerzempfindung, der andere führt zur reinen Schmerzbewertung, die man als Leiden bewerten kann. Der Schmerz wird empfunden und lokalisiert.

 

Auf ein deutliches Bewusstsein des Menschen weisen uns außer den differenzierten Umweltsrelationen 1. die verstandesmäßigen Überlegungen und 2. die Emotionen hin. Verstandesmäßige Überlegungen fehlen allen Tieren. Emotionen aber, die sich durch Ausdrucksbewegungen kundtun, gibt es auch bei Tieren und sie öffnen uns den Zugang zur Erkennung des Schmerzgefühls.

 

Im Tierreich lassen sich unterschiedliche Graduierungen von Ausdrucksbewegungen feststellen. Einzeller und ähnliche Gattungen wie auch der Regenwurm zeigen auf schädigende Reize keine Reaktion des Missempfindens, bei Bienen, Hummeln und Wespen sind auch keine Schmerzempfindungen bekannt, aber höher stehende Arten wie die Vögel reagieren auf Schmerzreize mitunter sogar heftig, die Vögel verfügen bereits über ein primitives Großhirn.

 

Schließlich sei hervorgehoben, dass die Säugetiere über ein Schmerzsystem verfügen, das dem Menschen sehr ähnlich ist. Auch die echten Ausdrucksbewegungen wie die Flucht, motorische Desorganisation, Aggressivität gleichen denen des Menschen. Das Leid, das Pathos ist dem Tier jedoch nicht in vergleichbarer Form zuzuerkennen, jene genannte Umschaltung auf das Großhirn auf die Persönlichkeit entfällt beim Tier. Dagegen ist das Tier dem Schmerz, ungehemmt durch den Verstand, hilflos preisgegeben.

 

Der Grad des Schmerzes ist bei verschiedenen Tierarten und  -rassen erheblich verschieden. Bei den sogenannten Nesthockern, die hilflos, nackt, unreif und blind geboren werden, ist die Entwicklung des Gehirns nicht abgeschlossen. Ihr Schmerzempfinden ist in den ersten 10 bis14 Tagen sehr gering.

 

Bei den Nestflüchtern jedoch, die bei der Geburt gut entwickelt sind, bald Anteil nehmen an der Umgebung und sich versorgen können (Pferd, Rind), sind Ganglienzellen und Bahnen auch die freien Nerven-Endnetze fertig und dementsprechend ist ihr Schmerzempfinden stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen.

 

Urgefühl der Angst beim Tier

 

Zu dem Schmerz des Tieres gesellt sich in bemerkenswertem Ausmaß das Urgefühl der Angst, wenigstens bei höheren Tieren. Im Augenblick der drohenden Gefahr sind die Augen weit aufgerissen, die Pupille ist weit, das Herz klopft stürmisch, die Haare sträuben sich, der Schweiß bricht aus. Muskelzittern, Zähneklappern, Darmspasmen und gelegentlich kopflose Reaktionen werden ebenfalls beobachtet.

 

Das Gefühl des Bedrohtseins ist stark entwickelt, zwar nicht als Gewissensangst und auch kaum als Vitalangst, da auch den höher entwickelten Tieren der Begriff der Krankheit und des Todes nicht zu eigen ist, wohl aber die Realangst, die dann wirksam wird, wenn der vermeintlichen Gefahr nicht instinktgerecht begegnet werden kann, wo Flucht resp. Angriff nicht möglich sind. Der Angst ist das Tier ebenso hilflos ausgeliefert, wie dem Schmerz. Solche Angsterlebnisse werden öfters zeitlebens nicht vergessen und können das Gesamtverhalten des Tieres völlig verändern.

 

Tier dem Schmerz schuldlos ausgeliefert

 

Schmerzentstehung und Schmerzempfindung gelten somit bei den höheren Tieren als wissenschaftlich gesicherte Tatsachen. Es besteht auch kein Zweifel, dass der Schmerz seine große biologische Bedeutung besitzt. Der Schmerz besitzt Warnungscharakter, aufgrund dessen Mensch und Tier eine Wiederholung der schädlichen Erfahrung zu vermeiden lernt. Das Tier ist dem Schmerz schuldlos und aussichtslos ausgeliefert, und diese Tatsache sollte uns doch sehr zu denken geben.

 

Nur Unwissenheit oder Ignoranz kann dazu führen, dass der Mensch sagt, dass der Brennvorgang beim Fohlen bzw. beim erwachsenen Menschen keinen Schmerz verursache! Ich möchte es nicht glauben, dass so ein erfahrener Tierarzt wie Dr. Karl Blobel dem Brennvorgang keine Relevanz für den Tierschutz darstellt. Wenn er sagt, dass das „Chippen“ viel gefährlicher sei und zu Traumatisierungen beim Fohlen führe, dann hat er wohl noch nie gesehen, wie dem Brennmeister das Eisen um die Ohren geflogen ist. 

 

Also noch einmal: Das Tier empfindet Schmerz beim Anbringen des Schenkelbrandes.

 

Schächten schlimmer als Schenkelbrand

 

Ein vernünftiger Grund, den Schenkelbrand anzubringen, wo Alternativen zur obligaten Kennzeichnung der Tiere (Chippen, Oberlippentätoo, Kaltbrand, Ohrmarke etc.) verfügbar sind, erscheint auf den ersten Blick nicht zu existieren. Natürlich ist der Schenkelbrand eine Tradition, die seit Jahrhunderten existiert. Aber Moralbegriffe sind dynamisch, sie wandeln sich im Laufe der Zeit. Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass der Stierkampf in Katalonien einmal verboten sein wird? Das auf religiösen Riten beruhende Schächten von Schlachttieren bedarf ebenfalls einer kontinuierlichen der Zeit angepassten Aufarbeitung. Schächten ist schlimmer als ein Schenkelbrand. Ist das dem Bundesrat bekannt? Es ist gut so, dass vermeintlich starre Strukturen immer wieder hinterfragt werden. Ein Kriterium des menschlichen Geistes ist aber auch die Diplomatie. So darf auch hinterfragt werden, ob bei diesen festgefahrenen Meinungen kein Ausweg existiert, der beiden Fronten garantiert, dass sie nicht ihr Gesicht verlieren?

 

Brennen ohne Schmerzen

 

Es gibt ihn, wenn man will. Die pharmakologische Industrie ist in der Lage, Substanzen für das Pferd bereit zu halten, die eine Sedation mit einer zusätzlichen Analgesie bietet. Dann könnte der Brand unter weitestgehender Schmerzfreiheit angebracht werden. An Nachteilen wären allenfalls die Kosten zu kalkulieren, aber dem Tier gegenüber hätte man ein reines Gewissen und die Tradition könnte kritiklos aufrecht gehalten werden. Eine Schlichtung ohne Vorbedingungen ist angezeigt, das Ende wird alle Beteiligten befriedigen und vor allem das Tier ohne vernünftigen Grund schmerzfrei halten. Der Bundesratsbeschluss sollte folglich noch einmal hinterdacht und das Verfahren von Fachleuten neu aufgerollt werden. Andere Staaten sind schon weiter vorgeprescht. Der nördliche Nachbarstaat Dänemark hat das Brennen von Pferden auf Gesetzesebene seit diesem Jahr grundsätzlich verboten.

 

Das Resultat eines langen konfusen Diskussionschaos hat einmal mehr gezeigt, dass einerseits in der Sache nicht rechtzeitig das Problem transparent diskutiert wurde, andererseits das Krisenmanagement bei dem bestehenden und zu erwartenden Ausgang des Verfahrens nicht im Sinne einer konzertierten Aktion gebündelt wurde. „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“ (Goethe, Faust I). Eher wäre hier eine Vorgehensweise frei nach General Guderian „Nicht kleckern, klotzen“ angezeigt gewesen, was stellvertretend für die Bündelung der Interessen stehen soll.

 

Also: Schenkelbrand ja, aber unter medikamentöser Schmerzbefreiung (Analgesie)

 

 


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