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Erinnerungen an fast oder bereits vergessene Wachträume... PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Claus Schridde/ DL   
Mittwoch, 28. September 2022 um 19:50

Querenhorst. Er hat sich an ein Thema herangewagt, was Mut verlangte. Claus Schridde (58) hatte ihn und gab in seinen kurz gefassten, aber umso direkten Beschreibungen alten vergessenen oder untergegangen Gestüten nochmals ein Gesicht. Der Journalist und absolute Zuchtexperte konnte es, wenn nicht er, wer sonst.

Sie wollten die Welt aus den Angeln heben und haben mitunter sprichwörtlich die Puppen tanzen lassen. Oft waren es schillernde (in selteneren Fällen bescheiden auftretende) Persönlichkeiten, die neu in die Pferdeszene eingestiegen sind und in allen Teilen Deutschlands Gestüte aus dem Boden gestampft haben. In manchen Fällen hatte man die sofortige Assoziation zu dem Hans-Albers-Hit „Hoppla, jetzt komm ich!“ und im direkten Zusammenhang dann auch mitunter unwillkürlich zu Nicoles Schlager „Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund!“. Teilweise sprichwörtlich, denn als Tiger abgesprungen und als Bettvorleger gelandet sind etliche Newcomer in der Hengsthalterszene.

Aber Geld regiert nun mal die Welt, und die deutschen Pferdezuchtverbände rollten teilweise rote Teppiche mit Goldrand vor den Inhabern der Gestüte aus, um ja in deren Gunst zu stehen. Damit kein Missverständnis aufkommt: Sicherlich ist es richtig, wenn honoriert wird, dass Menschen gewillt sind, ihren Reichtum in der Pferdeszene zu verteilen. Aber nur allzu oft hat sich diese Haltung auch ins Gegenteil verkehrt, denn irgendwann begannen die guten Kunden, die jahrelang Hunderttausende bei den Verbänden gelassen hatten, ihrerseits zurückzufordern, und zwar oftmals in der Form, dass sie nun selber reichlich Nachzucht produziert hatten, nicht immer auf vermarktbarem Level, oder im zügigen Anstreben von Ehrenämtern. Dann begann vielfach der schwierige Spagat, einerseits den Kunden bei Laune halten zu wollen, ihn aber andererseits ob seiner teils doch recht dürftigen Eigenprodukte nicht allzu sehr zu brüskieren.

Sei es wie es will: Alle Neugründungen haben erst einmal Geld in die Pferdeszene gebracht. Besser in diese als in eine andere. Und Fakt ist auch: In neue Nester legen die Hühner gern… Zumindest in die meisten. Claus Schridde hat sich als Zeitzeuge mit Aufstieg und Niedergang der Privatgestüte in den letzten 50 Jahren beschäftigt.

Gestüt Nehmten 1972-1982

Der Bochumer Mineralöl-Magnat und Reitsport-Mäzen Dr. Herbert Schnapka wurde 1911 in Hindenburg (Oberschlesien) geboren. Seine Liebe zu Pferden entdeckte er schon, als er 1927 auf dem Hof der Eltern mit dem Reiten begann. Der „Kalte Krieg“ war noch in vollem Gange, als Herbert Schnapka schon als Monopolist Öl aus der damaligen Sowjetunion bezog, und nie hat er das Geheimnis gelüftet, wie er das gemacht hat. Seine wichtigsten Geschäftspartner ließ er standesgemäß im Mercedes 600 Pulman (Normalpreis Anfang der 1970er Jahre über 130.000 Mark) chauffieren. „Meinen russischen und arabischen Freunden bin ich das schuldig“, erläuterte Schnapka damals. Privat lenkte er einen Porsche Carrera. Privatjet und Hochseejachten gab es auch. Auf dem Gestüt Nehmten bei Dersau am Plöner See in Schleswig-Holstein, gepachtet von Helmold Freiherr von Plessen und von diesem in Schnapkas Sinne geleitet, beherbergte er in seinen besten Jahren 150 Pferde, Vollblüter sowie Holsteiner, Hannoveraner, Trakehner und Oldenburger, und avancierte in den 1970er Jahren zum größten Mäzen des deutschen Springsports. Schnapka machte Reitergrößen wie Eddie Macken (IRL), Karl-Heinz Giebmanns, Hartwig Steenken, Gerd Wiltfang, Hermann Schridde und Paul Schockemöhle beritten und hatte einmal im Vorfeld eines FEI-Championats drei der vier nominierten Reiter mit seinen Pferden unter Vertrag. Doch das genügte ihm nicht; er wollte eine totale Schnapka-Equipe. Es gab Forderungen und Drohungen, bis sich die Sache schließlich beruhigte. Zum Gestüt gehörten auch ein Ausbildungs- und Turnierstall mit Schwerpunkt Vielseitigkeit, der von Rüdiger Schwarz und zeitweise auch Karl Schultz repräsentiert wurde. Ebenso unterhielt Schnapka das Vollblutgestüt Ferrans Stud Farm bei Kilcock in Irland. In Nehmten wirkten als Deckhengste von 1974 bis 1979 die Holsteiner Halbblüter Conte und Maximus, die ab 1980 mit dem ehemaligen Holsteiner Verbandsgeschäftsfürer Jasper Nissen, der als enger Berater galt, nach Schweden auswanderten. Steenkens Weltmeisterpferd aus 1974, Simona, wurde in Nehmten 1976 zum ersten und einzigen Mal Mutter. Zu diesem Zwecke war 1975 extra der Schimmelhengst Weingraf nach Nehmten geholt worden, der sich in Einehe intensiv um die schon betagte Pferdedame kümmerte. Die bekanntesten Turnierpferde aus der Zucht des Gestüts Nehmten waren die Prinz Gaylord-Nachkommen Prinz Charming/Alois Pollmann-Schweckhorst und Prinz Haylord/Stefan Schewe, Söhne der ehemaligen Steenken-Erfolgsstuten Daniela und Erle.

Anfang der 1980er Jahre zog Schnapka sich aus dem Pferdesport zurück. Er hatte in seinem Riesen-Imperium mit Milliarden jongliert – und verloren. Stille Insolvenzen, spektakuläre Pleiten und Vergleiche diverser Unternehmen des Schnapka-Trusts gingen monatelang durch die Schlagzeilen. Die Zucht lief noch ein bisschen weiter, mit Hengsten wie Maracaibo und M-Lolshan xx, bis 1989. Das in vielfacher Hinsicht repräsentative Gestüt Nehmten wurde verschiedentlich von Pferdeleuten weiter genutzt, u. a. von Uwe Ketelsen. Dr. Herbert Schnapka, der bis kurz vor seinem Tode noch ein Büro als pakistanischer Generalkonsul an der Düsseldorfer Königsallee unterhielt, starb 2003 im hohen Alter von 91 Jahren in Bochum.

Gestüt im Niedern 1973-2002

Das Gestüt im Niedern, bei Gedern (Vogelsbergkreis/Hessen) mitten im Wald gelegen, war eine kleine Welt für sich. Man fuhr durch den Wald bergab in ein kleines Tal, durch das sich ein Bachlauf zog, mit wunderschön arrangierten Gebäuden: Idylle pur. Ursprünglich war es als Trakehner Zuchtstätte angedacht; schon in den 1970er Jahren wirkte hier beim damaligen Besitzer Elmar Bonn der in der Trakehner Zucht zu einiger Berühmtheit gelangte Hengst Gunnar. Mit der Übernahme durch Georg-August Neff hielt 1978 der Trakehner Halbblüter Grandezzo (v. Cher xx) als Reservesieger seiner Körung Einzug in Gedern und sorgte für Aufmerksamkeit, als er im selben Jahr die Hengstleistungsprüfung in Adelheidsdorf gewann. Er ging 1982 nach einer Blutvergiftung ein und an seine Stelle trat 1983 Heuriger aus dem Gestüt Webelsgrund. Dessen Nachkommen waren oft unscheinbar und unbedeutend; sportlich jedoch sollte Heuriger eines der erfolgreichsten Trakehner Pferde seiner Generation werden. Als 1986 der Holsteiner Johannes Marxen die Gestütsleitung übernahm, erwachte das Gestüt 1987 geradezu schlagartig aus dem Dornröschenschlaf. Der Eigentümer und „spiritus rector“ Georg-August Neff, eher ein Mann der leisen Töne, ließ seinem Gestütsleiter viel freie Hand, und so kamen die Hengste in professionellen Beritt. Der Top-Ausbilder Christian Pläge und seine damalige Frau Britta übernahmen den Dressurpart, Peter Jakob stellte die Hengste, die sich künftig vermehrt auch aus der Holsteiner Zucht (u. a. Calypso IV, Lordon I, Silvano, Latouro, Capilano) rekrutierten, im Parcours vor. Nach der Trennung der Pläges übernahm Ellen Bontje die dressurmäßige Förderung der Hengste und trat mit Heuriger und Silvano stark ins Licht der Öffentlichkeit. Mehrfach war sie mit beiden Hengsten bei internationalen Championaten in der niederländischen Nationalmannschaft vertreten und holte Medaillen auf höchstem internationalem Niveau. Das Gestüt im Niedern wurde zum festen Wertbegriff in Hessen und darüber hinaus, hatte in Spitzenzeiten 20 Hengste im Einsatz, und Guido Recki tat mit besonderen Bildern und großformatigen Hengstkatalogen das Seine dazu.

Spektakulär war weniger der Start, sondern mehr das abrupte und unerwartete Ende: Als Georg-August Neff 2002 starb, übernahm Paul Schockemöhle fast den kompletten Hengstbestand. Gestütsleiter waren über die Jahre Theo Seegers, Johannes Marxen, Sandra Arnold (später Neff, heute Grede) und Peter Jakob. Das Gestüt Im Niedern befindet sich unverändert im Besitz der Familie Neff, wird auch bewohnt, steht aber überwiegend leer. Immerhin gibt es Pläne zu einer mittelfristigen Wiederbelebung, wenn auch nicht als Hengsthaltung.

Gestüt Bladenhorst 1981-1985

Mitten im Kohlenpott inszenierte der gebürtig aus Ostdeutschland stammende, extrovertierte Immobilienhändler und „Baulöwe“ Josef Skutta 1979 ein Reitsportzentrum bis dahin ungekannten Ausmaßes: Das Gestüt Bladenhorst in Castrop-Rauxel, umfassend eine Reithalle mit 80 x 21,5 Meter, ein Wohnhaus mit elf Wohnungen, Platz für 120 Pferde, betreut von 36 Angestellten. Die offizielle Einweihung der Anlage im Juli 1981 kostete 500.000 DM, u. a. wurde eine Western-Show aus Kalifornien eingeflogen, 10 Lipizzanerhengste aus Lipica reisten ins Ruhrgebiet, Cindy & Bert ließen „Spaniens Gitarren“ erklingen, während ein gewisser Herr Uwe Heckmann aus Oldenburger Landen das nur spärlich vorhandene Fachpublikum zu animieren versuchte. Dem Gestüt angeschlossen war ein Vergnügungspark (25 Mark Eintritt pro Person). In besten Zeiten standen bis zu 20 Hengste in den Stallungen. Die Rekrutierung des Hengstbestandes war stark an das Geschehen auf dem Körplatz Oldenburg angelehnt. Im Oldenburg der späten 1970er und frühen 1980er Jahre rieb man sich in lauter Vorfreude die Hände, wenn Skutta zu den Körungen auflief, denn er sorgte dafür, dass der „Rubel“ rollte und verkäufliche Hengste den Besitzer wechselten. Mit Fatianus kaufte Skutta den Siegerhengst der Oldenburger Körung 1979 und den Ic-Prämienträger Fernet Branca gleich noch mit dazu. Letzterer war unter dem Strich der deutlich bessere Hengst, wirkte aber bedauerlicherweise auf verlorenem Posten. Am Ende standen da stallgassenweise Furioso II- und Luciano-Söhne, die jedoch überwiegend in jährlicher Einehe oder gar zölibatär ihr Dasein fristeten.

Bekannte Reiter, vielfach Träger des Goldenen Reiterabzeichens, standen bei Skutta unter Vertrag und grasten mit mehreren großen LKWs die Turniere der näheren und weiteren Umgebung ab: Wolfgang Albert, Rolf Schaper, Knud Erik Clausen, Klaus Reinacher, Ralph Clasen-Hoffmann, Werner Bergmann und Harry Lorenz, um nur einige zu nennen. Klaus Reinacher pilotierte den Furioso II-Sohn Friesengeist 1983 zum Titel des Bundeschampions. Nach Auflösung des Gestüts Bladenhorst gelangte Friesengeist in die USA und wurde dort unter Michael Matz mit dem Namen Heisman eine bekannte Größe auf Weltklasse-Niveau. Der wohl bekannteste Hengst Waldsee verbrachte seine späteren Jahre im Stall Detlef Saul (Bremerhaven), wo er neben züchterischen Betätigungen auch ein erstklassiges S-Dressur-Lehrpferd für Tochter Stephanie abgab. Goldbach landete bei Familie Pötter-Ullmann, Ramiroff im Stall Kappel. Fatianus, für den ein Scheich im Rahmen der Equitana 1983 1,2 Millionen Mark geboten hatte, ging ländlich A-Springen und Fernet Branca in die USA. Die Gläubiger hatten 1985 eine Betriebsgesellschaft gegründet, um den Fortbestand zu garantieren. Auch das hat nichts genutzt. Freizeitpark und Gestüt wurden getrennt. Heute ist das einstige Gestüt (40.000 Quadratmeter Fläche) schon seit langen Jahren eine Reitschule. Josef Skutta, der sich als Gestütsherr mit Dr. Herbert Schnapka und Otto Schulte-Frohlinde auf Augenhöhe sah, ist vor etlichen Jahren verstorben.

Gestüt St. Ludwig 1983-2018

Gert Kraft, Mitinhaber der Druckerei Kraft-Schlötels in Wassenberg, inszenierte ab 1983 seinen Traum von einem Gestüt, benannt nach dem unweit auf niederländischem Gebiet gelegenen Kloster St. Ludwig und zunächst stark inspiriert durch Genetik aus Oldenburg. Mit Altano Z, Good Luck und Löwensprung ging es in die erste Decksaison, auch der große Grannus hat hier 1984 ein Jahr verbracht. Es folgten Hengste wie Ganymed I, Grosso Z, Pascha, Woronesch, Radjah Z, Donnerschlag und seine Söhne Donnerwind und Dream of Heidelberg I, Larome, Lanciano, Aquilino und etliche mehr. Bart Kools und Karl-Heinz Hooghoff waren die Deckstellenleiter der ersten Jahre. Man brauchte schon einen guten Kompass, um nach Wegberg-Dalheim-Rödgen zu finden, und wenn man da war, hatte man so ein bisschen das Gefühl, das Paradies erreicht zu haben. Selbiges hatte allerdings kein deutsches Mobiltelefonnetz mehr: Bei Betreten des Geländes wurde man vom niederländischen Netzanbieter per SMS willkommen geheißen. Eine architektonisch wunderschöne Gestütsanlage, allein und mitten im Wald, pieksauber, aber eher unpraktisch zu pflegen. Die Stallgebäude auf mehreren Ebenen; für’s Personal nicht so ganz einfach. Die voll isolierte Veranstaltungshalle mit Tribüne und einer Super-Akustik suchte ihresgleichen und war Schauplatz von grandiosen Hengst- und Fohlenschauen, Fohlenauktionen und anderer Highlights rund ums Pferd. Kraft ließ es an nichts fehlen, und Geld spielte lange Zeit gar keine Rolle. Für Hengstvorführungen war das beste Personal gerade gut genug. Aus Norddeutschland „eingeflogen“ wurden etwa Ingo Pape, Gerd Schonebeck, Helmut Osterkamp und später Uwe Hannöver und Cord Meiners. Helena Stormanns (damals noch Weinberg), Holger Hetzel und Nicole Uphoff gaben Gastrollen im Sattel der Hengste (Ragazzo hätte die Olympiasiegern einmal fast coram publico in den Sand katapultiert), und die langjährige Konstante im Sattel war der Rehbein-Schüler Heiko Münzmaier, unter dessen Ägide der Hengst Donnerschlag zu internationaler Grand-Prix-Reife gedieh. Unvergessen ist das Pas de Deux von Donnerschlag/Heiko Münzmaier und Donnerhall/Karin Rehbein im Rahmen einer St. Ludwig-Hengstschau in der Aachener Albert-Vahle-Halle Anfang 1994.

Der langjährige Gestütsleiter Hanswilly Kusserow war Meister der Organisation, der Fels in der Brandung; er wusste perfekt mit den cholerischen Aussetzern seines Chefs umzugehen. Der beschäftigte sich neben Druckerei und Hengsthaltung auch leidenschaftlich mit Brieftauben und war als Vieltelefonierer damit ausgelastet, seine Damenbekanntschaften voneinander fernzuhalten.

Gert Kraft hatte keinen Nachfolger mit hippologischem Herzblut, gegen Ende der 2000er Jahre wurde daher die Hengsthaltung heruntergefahren, im Deckeinsatz blieben Lanciano und Abanos, ansonsten standen noch einige Verkaufspferde in der einst blühenden Anlage, die 2018 an einen Koreaner verkauft wurde. Apropos Damenbekanntschaften: Gert Kraft geriet danach an die falschen Leute, die ihn um große Summen Geldes betrogen. Er starb am 1. Februar 2021 im Alter von 80 Jahren, völlig verarmt und am Ende auch ziemlich einsam. Festzuhalten ist: Kaum ein anderes Privatgestüt hat in Deutschland so lange durchgehalten und so nachhaltige Akzente in der Pferdezucht setzen können wie Gestüt St. Ludwig.

Gestüt Wolfsangel 1987-1991

Das Gestüt Wolfsangel im nordwestbayerischen Großostheim war nur eine Sternschnuppe am hippologischen Firmament der späten 1980er Jahre. Die Chefin Marika Behnsen und ihr Mann Peter Behnsen galten als Glamour-Paar im Rhein-Main-Gebiet. Marika Behnsen war zuvor verheiratet mit Klaus Rheinberger, dem späteren zweiten Ehemann von Liselott Linsenhoff, und ließ ihn zugunsten von Behnsen „sausen“. Peter Behnsen gab sich weltmännisch, war am Ende aber das, was man landläufig als „Blender“ bezeichnet: Horizonte, gleich welcher Natur, schienen ihm ein Fremdwort. Er kam aus der Werbebranche und war mit mehreren Firmen in den Konkurs gegangen, derweil seine Gattin dem Dressursport frönte. Im Frankfurter Oberforsthaus war die reiterliche Heimat. Dreh- und Angelpunkt war der Hannoveraner Fuchshengst Philippo, den Marika Behnsen im Fohlenalter (1977) geschenkt bekommen hatte. Züchterischen Background gab es nicht; man ließ ihn – mehr um zu sehen, wie weit man kommt – kören und prüfen, was beides gut gelang, und auf einmal kamen Stuten. Der Pensions- und Reitstall Oberforsthaus war für züchterische Belange nicht ausgelegt, und so erwarben die Behnsens das Anwesen in Großostheim, eine knappe Autostunde südöstlich von Frankfurt entfernt. Ein großes Haus mit Schwimmbad, Gästezimmern, großer Diele und allen Raffinessen, Reithalle, Platz und großzügigen Stall- und Lagergebäuden. Bruno Eidam war als Bereiter aktiv, das Gestüt erlebte vier schöne Jahre, in engem Kontakt zum hessischen Zuchtverband und dessen damaligem Zuchtleiter Dr. Otger Wedekind. Mit der Wiederbelebung des traditionellen Frankfurter Festhallenturniers in den Jahren 1989 und 1990 hatte Behnsen sich dann deutlich verhoben (die Reiter bekamen kein Gewinngeld); sein berufliches Kartenhaus stürzte in sich zusammen und er riss das Gestüt mit in den finanziellen Abgrund, nachdem zwischenzeitlich auch herausgekommen war, dass er ein Kind mit einer Geliebten gezeugt hatte. 1991 gehörten sowohl das Gestüt als auch die Pferde der Frankfurter Bankgesellschaft. Dann folgten die Zwangsversteigerung und die Scheidung. Der schwerste Schritt für Marika Behnsen, die nun sehr harte Jahre erlebte und sich u. a. mit Reitunterricht über Wasser hielt, war die Trennung von ihrem Herzenspferd Philippo, der noch einige Jahre bei dem Tierarzt Dr. Kai Kreling in Waldalgesheim lebte, allerdings kaum mehr im Deckeinsatz. Er hatte vorher vergleichsweise stark gedeckt, allerdings viele mäßige Stuten und infolgedessen deutlich unterdurchschnittlich vererbt. Nur fünf von 116 platzierten Pferden gelangen S-Erfolge. Von seinen zeitweiligen Boxennachbarn gab es kaum wertbare Ergebnisse. Das Gestüt Wolfsangel wird seit langen Jahren als „Reitstall Wolfsangel“ von der Familie Teichmann betrieben. Peter Behnsen ist 2017 verstorben. Das Frankfurter Festhallenturnier wird schon seit langen Jahren federführend von Ann-Kathrin Linsenhoff geleitet, der Stieftochter von Klaus Rheinberger, des ersten Ehemannes von Marika Behnsen. Die Welt ist klein.

Martinshof 1988-1993

Auf eine wechselvolle Geschichte blickt der Martinshof im windigen und oft stürmischen Außenbereich des beliebten Urlaubsortes Sankt Peter-Ording an der Nordsee zurück. Als Zuchtstätte wurde er bekannt über den mit Jos Lansink erfolgreichen Weltcupsieger Achill-Libero I H (v. Landgraf I-Ronald), den der Namensgeber des Hofes, Martin Röpcke, gezüchtet hat. Der Hengst wurde 1984 durch den damals noch jungen Zuchtverband für deutsche Pferde (ZfdP) in Fehrenbötel gekört. Röpcke hatte den Hengst aufgrund der mannigfachen Inzucht auf den großartigen Holsteiner Linienbegründer Achill selbstbewusst auf „Achill 81“ getauft, den Namen also durch das Geburtsjahr ergänzt. Er hat den Erfolg seines Hengstes nicht mehr miterlebt. Die HLP war nur mäßig, dann starb Röpcke und Achill 81 wechselte in den Stall Hell, von wo aus er in Richtung Niederlande weiterverkauft wurde. Es gab zunächst eine Erbengemeinschaft, dann übernahm der Immobilienmakler (Schwerpunkt Hotels) Hans-Peter Jacobsen in den späten 1980er Jahren das 300 Hektar große Anwesen, erweiterte es um eine Halle (39 x 98 Meter) und eine Windkraftanlage.

Dem auf der Insel Nordstrand gebürtigen Jacobsen hat es nicht an Selbstbewusstsein gemangelt und auf gutes Personal hat er großen Wert gelegt. Zum Portfolio gehörten Dieter Ingwersen, Frederik von Bothmer und Thomas Schönig. 1991 betrug der Pferdebestand 126 Pferde, davon 31 in dem Jahr geborene Fohlen. 1992 gab es eine private Eliteauktion, außerdem hatte der ZfdP auf dem Martinshof seine Frühjahrskörung durchgeführt. Als Hengste waren u. a. Cape Canaveral, Capriccio, Lord Mayor und Rasant von 1990 bis 1993 in St. Peter-Ording stationiert. Danach war Schluss. Jacobsens Traum („Mein Ziel ist es, eines Tages von diesem Hof leben zu können!“) war schnell ausgeträumt: Die Steuerbehörden hatten ihn ins Visier genommen. Die Pferde wurden verteilt bzw. verkauft, vornehmlich aus steuerlichen Gründen folgte die Ehescheidung, Hans-Peter Jacobsen lebte fortan in Dänemark, seine Frau Babette in Deutschland (Vollerwiek). Nach einiger Zeit des Leerstands wurde die Anlage wiederbelebt. 1998 gründete sich die Turnier- und Reitsportgemeinschaft (TRSG) Martinshof, die es noch heute gibt. Der Martinshof wechselte vor elf Jahren an Hans-Peter Petersen (u. a. Züchter von Lord Liberty), der aus dem benachbarten Tating stammt und mit 30 Stuten züchtet. Ein Teil wird heute zur Aufzucht und Ausbildung von Springpferden genutzt, der andere ist verpachtet und wird als Reitstall und beliebtes Feriendomizil „Peternhof“ von Familie Lotz betrieben.

Gestüt Reinsehlen 1990-2002

1990 startete die Hengsthaltung des Gestüts Reinsehlen bei Schneverdingen, im Herzen der Lüneburger Heide. Dr. Sabine Voigt und Dr. Edda Karola Fortmann, Partnerinnen im Beruf (Röntgenpraxis am Gänsemarkt in Hamburg) wie auch im Leben, betätigten sich ab 1989 und in den Folgejahren immer wieder als fleißige Einkäuferinnen auf dem hannoverschen Hengstmarkt, und oft waren es Exemplare, bei denen man nicht recht wusste, ob man nun lachen oder doch besser weinen sollte. Ein Glücksfall schien zunächst der Schimmelhengst Donizetti, in dessen Pedigree alle Helden des Wendlands (Don Juan-Wienerwald-Domspatz-Lavendel-Agram) geradezu exemplarisch aufgelistet waren und der dabei über ein sehr ansprechendes Erscheinungsbild verfügte (das war bei dieser Abstammung beileibe nicht immer so). Gemeinsam mit Glückstaler I, der im folgenden Herbst durch die HLP fiel, ging Donizetti 1990 in seine erste Decksaison. Pech für den Hengst und letztlich auch Pech für seine Besitzerinnen, dass man statt seiner abstammungsmäßig vorgezeichneten Laufbahn im Parcours eine Karriere im Viereck für ihn vorgesehen hatte. Bis Inter I war er erfolgreich; für die Springpferdezüchter sah es so aus, als könne er nicht springen, und Dressurpferde wollte mit dieser Genetik keiner züchten. Klassisches Fehlmanagement also. 13 ganze Nachkommen aus langjähriger Zuchtbenutzung holten Platzierungen. Besondere Titelträger in Reinsehlen waren u. a. Positano, der mit Dr. Ulf Möller 1992 das hannoversche Springpferdechampionat auf dem Dobrock gewann und der Fuchs Weltbürger, der 1992 zunächst die Hengstleistungsprüfung in Marbach dominierte und 1993 in Mannheim von Holga Finken zum Bundeschampion der vierjährigen Hengste geritten wurde. Geholfen hat es beiden nicht: Positano brachte aus vier Deckjahren sechs sporterfolgreiche Nachkommen, Weltbürger in elf Deckjahren (die letzten beiden 2001 und 2002 als Leihhengst in Marbach) nur 38 platzierte Sportler. Nach dem Bundeschampionat ist er sportlich nicht mehr eingesetzt worden, und die mütterliche Abstammung Eisenherz I-Abermals trug auch nur bedingt zur Vertrauensbildung in der Züchterschaft bei. Hengste aus Reinsehlen wurden pilotiert von bekannten Reitern wie etwa Lisa Wilcox, Hans-Dieter Mangelsdorf und Heinz-Jörg Wächter. Insgesamt kam nur wenig Akzeptanz aus der Züchterschaft für die Vatertiere aus Reinsehlen. 2003 waren letztmalig Nachkommen der Hengste verzeichnet.

Gestüt Wiechenhof 1990-1995

Schon seit den späten 1970er und in den 1980er Jahren gab es Horst Freise sen. und jun. mit Pferden wie Dracus, Golfstrom und Pfalzgraf visuell und vor allem akustisch wahrnehmbar in der Springreiterszene des Großraums Hannover. Über Spielhallen (Spielpalast No. 1) war Freise zu Geld gekommen, und im Kofferraum seines Autos befanden sich stets zwei Zinkeimer voll Silbergeld aus den Automaten der Filialen. Die Pferde standen in Schlage-Ickhorst, Chefbereiter war über lange Jahre Jürgen Ernst. Die Reitertage bei Freise, geladenen Gästen vorbehalten, waren berühmt für ihre besondere Geselligkeit und die ebenso besonderen Preise. Da ging es stets hoch her und regelmäßig um einen Neuwagen gehobener Marken im Hauptspringen, als Trostpreis gab es ein Fernsehgerät. Und wo Horst Freise sen. auftauchte, da gab es auch schon mal spontane gesellschaftliche Highlights. Er forderte zu aberwitzigen Wetten heraus, und manchmal ließ der ehemalige Boxer auch die Fäuste fliegen. Konflikten mit dem Gesetz ist er nicht direkt aus dem Wege gegangen.

Horst Freise jun. ritt später über Jahre auch sehr respektabel über M- und S-Springen, Horst sen. war begeisterter Jagdreiter; sein Lieblingspferd war die Absatz-Tochter Amtsjagd. Die Idee, selbst eine Deckstation zu inszenieren, kam nach der PSI-Auktion 1988, wo Freise gleich einige Hengste (Papillon, Landsdown, Max M.) aus dem Schockemöhle-Kasselmann-Imperium erwarb. In Wiechendorf, etwas nördlich in Hannovers Speckgürtel in der Wedemark, entstand ziemlich schnell das Gestüt Wiechenhof, umgeben von alten Eichen. Bekannte Namen wie Jens Meyer und Detlef Utecht van Dijk zählten zum Personal der ersten Jahre.

Auf der Verdener Körung 1989 hatte er dem Züchter und Aufzüchter Wilhelm Klausing 250.000 Mark für den Schimmelhengst Foxhunter geboten, der – bedingt durch die damalige Fesselung im ersten Celler Lot – dann aber für 48.000 Mark und verständlicherweise sehr zu Klausings Bedauern ins Landgestüt wechseln musste. Der PSI-Einkauf hat sich als samt und sonders unwirksam erwiesen. Bis heute spürbaren Einfluss hinterließen jedoch Grosso Z, der aus dem Gestüt St. Ludwig nach Hannover gewechselt hatte und einen neuen Grosso-Boom entfachte, ferner Rebel Z I, und auch der Halbblüter Sandro, dessen Anpachtung Paul Schockemöhle sich fürstlich entlohnen ließ, der so aber über Jahre in den Genuss großer Stutenzahlen kam. Auch der heute 30jährige Goldfever I hatte sein züchterisches Debüt noch im Gestüt Wiechenhof gegeben. Dem Gestüt angeschlossen war eine Gastwirtschaft, die „Ole Deele“, in der das Angusfleisch aus eigener Haltung konsumiert werden konnte und in der auf Bierdeckeln teils haarsträubende Deckverträge mit Stutenbesitzern niedergeschrieben wurden.

Bereits 1995 war finito; das Finanzamt zog die Reißleine: Die Hengste gingen größtenteils en bloc zu Paul Schockemöhle, der sie dann weiter verteilte/verkaufte, u. a. Grosso Z ins Gestüt Wiesenhof. 1996 wollten Knut-Erich Weber und Christian Barthel das Gestüt mit ihren Hengsten aus Hessen bzw. Sachsen-Anhalt weiterführen. Ein Projekt, das zum Scheitern verurteilt war. Horst Freise sen. lebte nach seinem Waterloo als Gestütsherr zurückgezogen in Hannover.

Gestüt Schloss Heiligenstedten 1991-1996

„Schlossherr macht Millionen munter!“ titelte die Presse damals, als das Gestüt Schloss Heiligenstedten Anfang der 1990 Jahre mit dem hochtrabenden Slogan „Sieger unterm Sattel“ vor den Toren der Kreisstadt Itzehoe in Schleswig-Holstein seine Pforten öffnete. Man firmierte als „Internationales Trainingszentrum für Sportpferde“, wenn auch nicht lange. Manfred Milz, ideenreicher Chef einer Werbeagentur hatte das jahrhundertealte Schoss Heiligenstedten, ehemals Altenheim und „Opfer“ der Hamburger Hausbesetzerszene, erworben und etliches gutes Personal bei anderen Institutionen abgeworben. Unter der fachlichen Leitung von Hans-Peter Mohr, der seine sichere Position beim Holsteiner Verband aufgegeben hatte, waren bekannte Reiter wie Bernhard Fischer, Jörn Kusel, Torsten Wittenberg und Thomas Schönig auf der exclusiven Anlage beschäftigt, die über eine Reithalle verfügte, von deren Reitfläche manch anderer Standort nur träumen konnte. Das Außengelände allerdings war recht beengt, arrondiertes Areal gab es nur wenig, wohl aber das Restaurant „Orangerie“ und das Hotel „Jardin“ im klassischen Holsteiner Landhausstil. Den Plänen nach solle auch ein Wohnpark im selben Stil wie die Gestütsgebäude entstehen, doch während der Bauphase änderten sich die finanziellen „Gegebenheiten“, und statt des einheitlichen Stils ist es dann doch ein recht buntes Neubaugebiet geworden.

Ausgerechnet der Hannoveraner Verband, grundsätzlich eher träge und konservativ bei großen Entscheidungen, schmiss auf einmal die komplette Werbelinie um, alles wurde neu designt, made by Milz. Die Schlossherren aus Heiligenstedten hatten auf den Verdener Auktionen in kurzer Zeit etliche Hunderttausend Mark gelassen, und zahlungskräftigen bzw. -willigen Neukunden tat man auch gerne besondere Gefallen: Der im November 1990 in Holstein nicht gekörte Le Bon (mit 100.000 DM teuerster nicht gekörter Hengst) wurde knapp sechs Wochen später in Hannover gekört, wenn auch nicht anerkannt. Ein bis heute historischer Einzelfall. Die Anerkennung für Holsteiner bedurfte damals einer 120-Punkte-Prüfung, die der Hengst auch im zweiten Anlauf nicht schaffte. Beide HLPs fanden in Adelheidsdorf statt, die erste (117 Punkte) besser als die zweite (114). Als Dressurpferd hat er dennoch überzeugt, war als Wallach Grand-Prix-Sieger mit Andrea Hanisch und mit 20 Jahren noch im Sport. Die Glücksgriffe der Hengsthaltung in Heiligenstedten waren Cheenook und Ramiro‘s Bube, mit deutlichen Abstrichen die Cavalier-Söhne Camaran und Certain. Ansonsten fragte man sich des Öfteren, wie man derart zielgerichtet ausgerechnet die Hengste kaufen konnte, die nun gar keiner brauchte: Welfenlöwe, Elbstar, Fürstenfels und Grafenstern waren Antisportler par excellence. Cheenook hat später noch lange Jahre im Gestüt Tannenhof verbracht, Ramiro’s Bube machte mit Christine Stückelberger Karriere. Beide haben entgegen der Heiligenstedtener Werbestrategie (viel „Angst auf der Stelle“), aber getreu ihrer Genetik fast ausschließlich Springpferde vererbt. Nach der Insolvenz in Heiligenstedten 1996 verwucherte die Anlage und steht bis heute leer, Hans-Peter Mohr betrieb künftig Handel und Ausbildung auf heimischer Scholle.

Gestüt Falkenhof 1995-2007

Der erfolgreiche Unternehmer (Fenster und Türen) und Pferdezüchter, passionierte Jäger und Züchter der Jagdhundrasse Deutsch Drahthaar, Franz-Clemens Hoff aus Anröchte in Westfalen, hatte gehört, dass nach der Wende im Osten Jagdreviere verpachtet werden sollten und gab daher eine Chiffre-Anzeige auf. Anfang der 1990er Jahre nutzte er den Aufenthalt nach der Messe in Leipzig zu einem Abstecher in den Fläming (Brandenburg, unweit Berlin) und nahm ein 1000-Hektar-Revier in Pacht. Es entstand der Gedanke, hier im Osten auch Land zu kaufen, denn Hoffs Pferde waren in der westfälischen Heimat auf mehrere Standorte verteilt, und so reifte der Plan von einer neuen Bleibe für seine Pferde. In Rädigke-Neuendorf im Fläming entstand bis Mitte der 1990er Jahre das Gestüt Falkenhof, eine moderne Anlage mit Hotel und Restaurant, die für die Pferdezucht und Reiterei alle Möglichkeiten bot.

Als Bühne nutzte Franz-Clemens Hoff mehrfach das Turnier anlässlich des Starts in die Grüne Saison im Berliner Olympiastadion, wo 1997 bei strahlendem Sonnenschein am Sonntagnachmittag Olympiasieger und Weltmeister ein Hengstquartett aus dem Hause Hoff über den olympischen Rasen ritten: Gerd Wiltfang auf Golden Game, Sören von Rönne auf Lancer III, Toni Haßmann auf Landstreicher und Dirk Hafemeister auf Radeberger. Lancer III, Landstreicher und mit Abstrichen auch Radeberger haben in der deutschen Pferdezucht bleibende Spuren hinterlassen können. Lancer III war am selben Tag auch Sieger zweier S-Springen, beeindruckte damit, wie er – gerade mal siebenjährig – quasi im Renngalopp mit dem „Finger in der Nase“ die Konkurrenz deklassierte.

Doch der „Wessi“ Hoff fand im Brandenburg der 1990er Jahre nur wenig Akzeptanz. Geld zu verdienen war schwierig, nahezu unmöglich, und 2007 übernahm die Bank das Anwesen, sicherte den Weiterbetrieb des Landhotels und machte sich auf die Suche nach einem Nutzer der Gestütsanlage, deren Betreiber dann im Laufe der Jahre mehrfach wechselten. Die Landesbehörden nahmen Hoff ins Visier, und er führte zermürbende Prozesse, die er zwar einerseits gewann, die ihn aber andererseits aufrieben. Heute betreibt der erfolgreiche brandenburgische Springreiter Maximilian Wricke das Anwesen. Franz-Clemens Hoff, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert, wohnt unverändert im Fläming und betreut engagiert sein Jagdrevier. Wenn seine erfolgreich reitende Enkelin mit Pferden beim Großvater zu Besuch kommt, stehen diese auf der ehemals familieneigenen Anlage. Im letzten Herbst hat Franz-Clemens Hoff mehrere Hengste auf der Körung in Neustadt (Dosse) erworben und verpachtet. Pferdezucht im großen Stil gibt es nicht mehr. Am Ende kam Hoffs Initiative ein Jahrzehnt zu früh. Der Osten war noch nicht so weit.

Gestüt Mühlengrund 1995-1998

Anfang der 1990er Jahre kam der Unternehmer Hans-Joachim Nagel aus Bayern nach Norddeutschland und wirbelte zunächst die Trakehner Szene auf. Er erwarb das traditionsreiche und große Gestüt Webelsgrund in Springe aus dem Besitz der Unternehmerfamilie Bähre, musste jedoch nach drei Jahren (1992-1994) feststellen, dass dieser „Schuh“ dann doch vielleicht eine Nummer zu groß für ihn war. Als Gestütsleiter hatte er seinerzeit Helmar Bescht vom Klosterhof Medingen weggelotst, eine für viele absolut unvorstellbare Entwicklung, denn ein jeder hatte angenommen, Helmar Bescht sei so etwas wie „Sohn im Hause“ der Familie Wahler. Nagel feixte sich eins und labte sich an diesem „Erfolg“, inszenierte daraus eine Intimfeindschaft zwischen sich und Wahler, die auch werblichen Niederschlag fand. Die erste Ernüchterung folgte gleich 1992 beim Bundeschampionat in Verden, wo Nagels sicher geglaubter Bundeschampion, der 1988 geborene Trakehner Saint Cloud, bereits in der Vorrunde sang- und klanglos unterging. Für Helmar und Babett Bescht war die kurze Liaison mit Hans-Joachim Nagel heilsam und der entscheidende Schritt, den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen (die Hengstprüfungsanstalt Schlieckau ist heute, quasi als Nachfolgestation des Klosterhofes Medingen und in dessen unmittelbarer Nachbarschaft, die einzige privat betriebene HLP-Station bundesweit). Nagel hatte unterdessen Anke Hansen aus Hannover-Kirchhorst kennengelernt, später auch geheiratet und baute deren Erbhof mit Ländereien großzügig zum Gestüt mit Reithalle und Turnierplätzen um. Die groß ausgeschriebenen Turniere waren gut dotiert und wurden von den Reitern gut angenommen. Sponsorenwerbung war eines der großen Steckenpferde des Hans-Joachim Nagel, und man konnte als Schirmherrinnen (oder heißt das dann Schirmfrauen?) u. a. Hiltrud Schwetje (damals noch Schröder und frisch getrennt lebende Gattin des zukünftigen Bundeskanzlers und damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder) und Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süßmuth ganztägig genießen.

Der Kult um den Trakehner Hengst Saint Cloud nahm indessen rasant an Fahrt auf: Großzügig verteilte Nagel Deckgeldgutscheine zu mindestens 200 DM bei Fohlenschauen bzw. bei Qualifikationen zum Deutschen Fohlenchampionat, die er schon in Webelsgrund ausgerichtet hatte, und viele ließen sich locken. Die Werbestrategie war ebenso unkonventionell wie unkollegial: Im Rahmen einer Hengstvorführung des Vereins hannoverscher Privathengsthalter ließ Nagel (damals Mitglied in besagtem Verein) an jedem parkenden Auto auf dem Areal rund um die Niedersachsenhalle Flyer unter den Scheibenwischer stecken, auf denen zu lesen war, die besten Hengste (nämlich seine!) hätten die Zuschauer in der Halle gar nicht gesehen. Sportlich wurde Saint Cloud von Oliver Luze und später auch von Karin Rehbein bis Grand Prix siegreich vorgestellt. 1999 war er letztmalig in Deutschland im Deckeinsatz, ging dann in die Schweiz und verbachte seinen Lebensabend in Dänemark. Saint Cloud hinterließ in Deutschland sechs gekörte Söhne, von denen Latimer der züchterisch mit Abstand bedeutendste wurde. Von 211 eingetragenen Töchtern erhielten acht eine Staatsprämie. 13 seiner 229 in Deutschland platzierten Pferde waren in Prüfungen der Klasse S erfolgreich. Das ist deutlich unterdurchschnittlich, zeigt aber ziemlich eindrucksvoll, wie stark man mit viel Getrommel und dem prallen Aufpumpen einer Werbeblase auch einem Durchschnittshengst zu überproportional vielen Stuten verhelfen kann. Zum Hengstbestand zählten temporär auch die Hengste Bellheim/T., Rolls Royce und die vom Gestüt Schloss Bothmer übernommenen Oldenburger Donnerschwee und Rubirando. Nach dem Waterloo Ende der 1990er Jahre ging der überaus fähige Leiter der Besamungsstation, Volker Hagemeister, mit einigen Mühlengrund-Hengsten zum Gestüt Grönwohldhof. Von dort wurden dann die Hengste verteilt (u. a. Donnerschwee und Rubirando ins Haus Hardenberg), aber Hagemeister durfte bleiben und hat damit einen für sein Leben entscheidenden Positiv-Schritt getan (heute Gut Neuenhof). Selbiges gilt für Katrin und Oliver Luze, die entscheidende Jahre im Gestüt Tannenhof und im Gestüt Birkhof verbracht haben und heute auf dem Freiberger Hof in Haltern (Westf.) zuhause sind. Nach all der verbrannten Erde, die Nagel hinterlassen hat, haben zumindest seine qualifizierten Angestellten positive Weichen für ihren weiteren Lebensweg stellen können. Die Anlage am Kirchhorster Mühlenweg wurde noch einige Jahre von neuen Besitzern als GmbH weiter betrieben.

Gestüt Schlossäcker 1996-2007

Der Unternehmer Helmut Bauer hatte Mitte der 1990er Jahre seine Firma MSE (Mobile Schlammentwässerung) verkauft und dann das Gestüt Schlossäcker an der Peripherie von Straubenhardt (im Enzkreis, am nördlichen Schwarzwald) in Baden-Württemberg aufgebaut. Katrin Burger war seinerzeit die erste Kraft in Straubenhardt, hippologischer Kopf des Gestüts und First Class-Besetzung im Sattel der Hengste. Begründer der Hengsthaltung war seinerzeit der pompöse braune Oldenburger Feinbrand aus dem Hause Wernke in Cloppenburg. Der statiöse, großformatige Braune hatte beim Bundeschampionat 1991 in München die Gebäudenote 10 erhalten, sich in der Folgezeit aber mitunter reiterlich nur mäßig kooperativ gezeigt, wobei er seine naturgegebene Körpermasse auch durchaus gegen die weibliche Prominenz im Sattel einzusetzen verstand, und war im Oldenburg der mittleren 1990er Jahre so ziemlich „durch“. Die Oldenburger Züchterschaft staunte nicht schlecht, als er im November 1996 aus Baden-Württemberg zur traditionellen „Althengstparade“ wieder anreiste. Katrin Burger ließ ihn in einem frappierenden Solo durch die Weser-Ems-Halle tanzen, wie man ihn noch nie erlebt hatte: In einer Beweglichkeit, bis dahin nicht gekannter Geschmeidigkeit und gehorsamer Lektionssicherheit, die geradezu phänomenal war. In der Vererbung ist er dennoch bestenfalls Durchschnitt geblieben. Aber auf den Landes- und Bundeschampionaten spielte das Gestüt Schlossäcker in den Folgejahren stets eine führende Rolle, ebenso bei den Hengstleistungsprüfungen, die die Hengste stets in Neustadt (Dosse) absolvierten. Dressurhengste wie Dr. Jackson D, Sterntänzer, French Kiss, Sir Oldenburg, Day Dream, Cabaret und Dornenkönig legten sowohl züchterisch als auch sportlich Ehre für das Gestüt Schlossäcker ein, das als unbedingte Bereicherung der süddeutschen Hengsthalterszene galt und dessen Wirken bis heute einen außergewöhnlich positiven Nachklang hat. Die Nachkommen der Hengste überzeugten bei Fohlenschauen und -championaten, Bundeschampionaten, auf Körungen, Auktionen und schließlich auch im Sport.

2006 verließ Katrin Burger, die 2004 vornehmlich für ihre Erfolge auf Schlossäcker-Hengsten mit dem Goldenen Reiterabzeichen geehrt wurde, mit ihrem Lebensgefährten Joachim Neubert das Gestüt Schlossäcker und trat ihre Arbeit als stellvertretende Zuchtleiterin beim Oldenburger Verband an. 2007 war das letzte Jahr, in dem das Gestüt Schloßäcker als Deckstation firmierte. Der Inhaber Helmut Bauer ist im selben Jahr an Leukämie verstorben, der Gestütsbetrieb wurde geschlossen. Heute ist das ehemalige Gestüt Schlossäcker ein Pensionsbetrieb, gehört nicht mehr Familie Bauer.

Gestüt Tasdorf 1997-2017

Die Gestütsanlage in Tasdorf, einen Steinwurf von Holsteins Pferdemetropole Neumünster entfernt, wurde 1997 als holsteinischer Gutshof direkt neben der seit mehreren Jahrzehnten bestehenden Reitanlage erbaut. Hier lebte Petra Wilm (geb. Nagel), eine international erfolgreiche Dressurreiterin und langjährige erste Vorsitzende (2003-2017) des Trakehner Verbandes, mit Familie. Über dem Portal des in rotem Backstein gehaltenen Herrenhauses, das dem Stil historischer mecklenburgischer Pendants nachempfunden ist, mit großen, hohen Räumen, steht als Erbauungsjahr 1997 zu lesen und es geht die Legende, dass jeder verwendete Backstein bereits zuvor einmal verbaut gewesen ist, was für andere Materialien aus dem gesamten europäischen Raum genauso gilt. Der Kapitalzufluss erfolgte zunächst lange Jahre über familieneigene Unternehmen (Spedition und Abdeckerei), versiegte dann aber nach internen Zwistigkeiten, in deren Folge es zu Engpässen kam, die letztlich den Niedergang stark beschleunigten. Petra Wilm hat das lange weggelächelt, auch als die Dinge längst eine fatale Eigendynamik angenommen hatten. Nicht zuletzt wohl auch um ihrer sehr erfolgreich reitenden Kinder willen, die in der Szene beide hohe Sympathiewerte genießen und unverschuldet in diese Situation geraten sind, doch das Internet steht unverändert voll davon.

Zu Tasdorfer Blütezeiten standen hier Holsteiner und Trakehner Hengste in trauter Eintracht; eine Kombination, die es sonst nirgendwo gab. Hengst der ersten Stunde war der Trakehner Fuchs Ivernel, dem sich im Laufe der Jahre Rassekollegen wie der Siegerhengst King Arthur, Easy Game, Kasimir, Elfado und All Inclusive hinzugesellten. Ivernel erwies sich als recht arbeitsintensiv, schwierig und spannig. Er hat gemessen am durchaus vorhandenen Trainingsfleiß (Trainer Rudolf Brumme war oft in Tasdorf zu Gast und gab sich mit Hengst und Reiterin viel Mühe) sportlich nicht genug gebracht und war auch züchterisch keine Erleuchtung. King Arthur, auch als der „König von Tasdorf“ bekannt, schaffte unter Petra Wilm über Jahre konstant Grand Prix-Platzierungen. All Inclusive war Reservesieger der Trakehner Körung 2009 und wurde dort für 240.000 Euro gemeinschaftlich erworben mit Nicola Offen (Hamburg). Es kam zu Meinungsverschiedenheiten, und im Dezember 2017 war der bis S-Dressur siegreiche Dunkelfuchs gepfändet worden. Im Rahmen einer Zwangsversteigerung Ende Januar 2018 in Padenstedt wechselte er für 30.000 Euro den Besitzer. Pech für alle Beteiligten: er litt an Hodenkrebs und musste direkt danach kastriert werden. Besondere Holsteiner in Tasdorf waren der „Alleskönner“ Almoretto, Castellini und der Caretino-Sohn Cracker Jack, der mit Philip Koch Landesmeister und zweimal Deutscher Meister wurde. Gestütsleiter war zeitweise Frank Bangert. Auch der Sympathieträger Dieter Ingwersen, der plötzlich verstarb, Hannes Lütt, Jan Lens und Katja Egdorf zählten zum fähigen Tasdorfer Personal.

2016 war die letzte offizielle Decksaison. Das Gestüt stand mehrfach zur Zwangsversteigerung an, die jeweils abgewendet werden konnte und wurde Ende 2020 schließlich verkauft an die Vielseitigkeitsreiter Christian und Sophie Vogg aus Radolfzell (Baden-Württemberg). Petra Wilm wohnt heute in Rieps (Nordwestmecklenburg) unweit der Holsteiner Landesgrenze; der Hengst King Arthur steht unverändert im Familienbesitz und kommt nach mehreren Jahren züchterischer Abstinenz lt. Hengstverteilungsplan 2021 auf der neuen Hengststation Gut Nüxei in Bad Sachsa (Harz) zum Deckeinsatz.

Gestüt Gut Loh 1998-2002

1998 gründete der Unternehmer Jörg Jansen aus Essen am Stadtrand von Wesel das Gestüt Gut Loh. Jansen war seinerzeit der größte Toyota-Autohändler in Deutschland. Er hatte seine fünf Autohäuser dem Vernehmen nach für 30 Millionen Mark verkauft und dieses Geld nun in den Aufbau eines Gestüts nebst Pferdebesatz und Personal investiert. Er ging vorwiegend auf der NRW-Körung in Münster-Handorf auf Entdeckungsreise und sammelte dort auch einiges an Hengsten ein. Die solchermaßen erworbenen Individuen hatten künftig alle ein „loh“ im Namen: Don Loh, Donnerloh, Lord Loh, Rubiloh, Royal of Loh oder Rosenloh hießen sie. Mit Ausnahme von Rubiloh (Muttervater des aktuell gefragten For Dance/Station Sosath) hat keiner dieser Hengste irgendwie züchterisch Fuß fassen können. Es gab auch nicht lange Gelegenheit dazu, denn Jansen musste schon vergleichsweise schnell und recht schmerzlich erkennen, dass Pferdestärken nicht gleich Pferdestärken sind. Schon Ende der Decksaison 2002 begann der Pleitegeier zu kreisen. Um Rubiloh war es tatsächlich schade. Ein besserer Hengst mit sehr guter Vererbung, der später noch kurz in den Niederlanden gewirkt hat. Erwähnenswert war sicherlich noch der Lancer III-Sohn Larenco. Zum Personal zählten u. a. Karl-Heinz Hooghoff, Georg Kosthorst und Hans-Jürgen Niepelt. Im August 2008 kam es im fünften Anlauf tatsächlich zur Zwangsversteigerung, in deren Folge dann aber die Sparkasse Wesel trotzdem Besitzer blieb. Fortan wurden einzelne Stallgassen verpachtet. Jörg Jansen ist unverändert bzw. wieder in der Automobilbranche tätig.

Gestüt Sommerlade 1999-2007

Der Gestütsinhaber Dirk Müller, als Softwareentwickler zu einigem Reichtum gelangt, sammelte in seinem Gestüt Sommerlade (Reichshof-Hunsheim) im Oberbergischen über 300 Pferde, zu über 90 Prozent Trakehner, zusammen und ließ sie sich reichlich vermehren. Mehr ist eigentlich nicht passiert, denn weder Hengste noch Stuten traten irgendwie öffentlich auf, es war so eine Art vorgezogener Gnadenhof. Das Gestüt Sommerlade galt jedoch für die Jahre seines Bestehens, nicht zuletzt aufgrund der ausgesprochen starken Reproduktionsfreudigkeit, als jüngstes und zugleich größtes Trakehner Gestüt in Deutschland. Ein Dutzend Deckhengste stand in den Stallungen, ausnahmslos Trakehner, mehr Vertreter dieser Rasse hatte definitiv kein zweiter Hengsthalter im Angebot.

Hoflieferant der ersten Jahre war u. a. Burkhard Wahler. Müller wollte kaufen und Wahler konnte liefern. Das ist nicht verwerflich, und das hätte jeder andere in der Situation auch getan. Doch sammeln kostet Geld und gute Pferde fressen in aller Regel täglich genau so viel wie weniger gute. Am 01. Mai 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Dirk Müller/Gestüt Sommerlade eröffnet und der Rechtsanwalt Karl-Dieter Sommerfeld (Ründeroth) bekam mitgeteilt, dass er vom Amtsgericht Bonn zum Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. Seine Hauptaufgabe: Den 330 im Gestüt einstehenden Pferden das Futter und die medizinische Versorgung zu sichern.

Der Trakehner Verband sah es nun seinerseits als eine Art moralische Verpflichtung an, die Trakehner Pferde des Gestüts Sommerlade möglichst sinnvoll unter den Mitgliedern des Verbandes zu „verteilen“, um so die Genetik in der Population zu halten. Eine Mammutaufgabe, die auch größtenteils gelang. Aber der Trakehner Verband wäre nicht der Trakehner Verband, wenn er das nicht auffallend bejammert hätte: „Wir hatten ja Sommerlade zu bewältigen!“, hörte man noch Jahre später aus dem näheren Umfeld der Verbandsführung, mit stets entschuldigendem bis anklagendem Unterton als Rechtfertigung für alle möglichen Unzulänglichkeiten und das Thema Sommerlade rangierte in der Reihenfolge der Katastrophen gefühlt auf Rang zwei nach der Flucht aus Ostpreußen. Natürlich mit dem gravierenden Unterschied, dass die Pferde auf der Flucht eine jedes menschliche Vorstellungsvermögen übersteigende Kraftanstrengung zu leisten hatten und in Sommerlade zu keinem Zeitpunkt irgendeine Leistung abgefragt wurde.

Aus der Masse heraus kam Hibiskus, der zunächst im Gestüt Wiesenhof reiterlich wieder „angeschmissen“ wurde, dann nach Bayern ging und 2020 als Trakehner Hengst des Jahres eine hohe Auszeichnung erntete. Auch Tanzmeister I hatte es künftig gut getroffen. Die Stuten hat die Population irgendwie assimiliert. Heute ist das einstige Gestüt Sommerlade ein Reitstall, der allerdings erneut zum Verkauf steht. Der einstige Betreiber ist vor einigen Jahren gestorben.

Gestüt Kempke Hof 2000-2010

Mit einer riesigen Portion Energie, Tatendrang, Unternehmergeist und mitreißendem Enthusiasmus kam Ira Denkhaus aus Rheinland-Pfalz nach Mecklenburg. Sie und ihre Schwestern und ihre Mutter waren nach dem Verkauf der väterlichen Spedition im mehrfach dreistelligen Millionenbereich allesamt recht begütert. Das kleine Dorf Plaaz im Kreis Güstrow, direkt an der A 19 gelegen und quasi vor den Toren der Hansestadt Rostock, schlummerte 1998 noch im Dornröschenschlaf, doch innerhalb kürzester Zeit entstand hier eine besondere Gestütsanlage mit Reithalle, Reitplatz sowie einer Galoppstrecke und einem Reitwegenetz entlang der Koppeln. Die Bauweise war keineswegs klotzig oder pompös, sondern fügte sich durch die naturfarbenen Holzfassaden bestens ins Landschaftsbild ein. Benannt wurde die Anlage nach den früheren Besitzern des einzeln gelegenen Gehöfts, nämlich der Familie Kempke, und nicht selten wurde Ira Denkhaus auch als „Frau Kempke“ bezeichnet. Plaaz kam ins Gespräch und Ira Denkhaus hatte den Ehrgeiz, im klassischen Springpferdeland Mecklenburg die Sparte Dressur züchterisch zu entwickeln und zu stärken. Als Ausbilder engagierte sie den Besten des Landes: Ronald Lüders, losgeeist von seinem langjährigen Arbeitgeber, dem Gestüt Ganschow. Mit den Hengsten Dream of Heidelberg II, Royal Olymp und Sancisco ging er den Weg von Reitpferdeprüfungen über erfolgreiche Bundeschampionatsteilnahmen bis in die Königsklasse der Dressur, den Grand Prix. Mehrfach war er Landesmeister von Mecklenburg, führte auch Pferde wie Welfia, Diamond Dream und die Nachwuchshengste des Gestüts konstant zu Siegen und vorderen Platzierungen.

Der hannoversche Rappe Wind Dancer konnte sich über Jahre als Fohlenmacher profilieren, Lancado hielt das Springsegment hoch, und der hochprozentig Edelblut führende Mighty Magic war mit Andreas Dibowski Vize-Bundeschampion des Deutschen Geländepferdes. Internationale Beziehungen entstanden in verschiedene Richtungen, vorzugsweise nach Schweden. Legendär waren die Hengstschauen und Turniere, die Landeschampionate erlebten in Plaaz eine bis dahin nicht gekannte Würdigung. Besondere, immer wieder gern erzählte Anekdoten bleiben unsterblich, wie etwa um den Trakehner Hengst Oxford, der sich auf einem Turnier beim Abladen losriss, mit vier Transportgamaschen angetan im gestreckten Galopp auf den weiten Horizont zugaloppierte und dahinter verschwand. Nach der ernüchternden Feststellung: „Der Ochs ist fort!“ strebte man mit dem gesamten Team dem Himmelsrand zu und fand den Hengst in einem tiefen und breiten Entwässerungsgraben. Mit zähem Überlebenswillen, wobei er strampelte und sich sogar in der Böschung festbiss, tauchte er schließlich wieder auf, ohne jede Transportgamasche und um drei Hufeisen leichter. Erleichtert wurde das eher bewegungsarme und reiterlich nur bedingt kooperative Geschöpf dann auch um seine Männlichkeit; er ging im Tausch gegen Lancado zu Heinrich Ramsbrock und von dort aus als Reitpferd weit ostwärts: an die Gattin des Bürgermeisters von Moskau.

Alljährlich gab es ein großes Hengstmagazin, das die werbliche Handschrift von Guido Recki trug. Sensationelle Bilder der mecklenburgischen Landschaft, mit Kempke Hof-Hengsten im Laubengang des Güstrower Schlosses, im Park von Ivenack oder Bilder vom weiten Mecklenburger Himmel machten Appetit auf eine Reise in dieses wunderschöne Pferdeland. Guido Recki wusste, was Ira Denkhaus wollte, sie ließ ihn gewähren und er gab fotografisch und werbetechnisch alles: Ein unbedingtes Herzensprojekt!

Auf dem Katalogtitel des Jahres 2003 stand zu lesen: „Auf dem besten Wege!“ Und dem war tatsächlich so: Ira Denkhaus wollte zu den Gobal Playern zählen, und als es so weit war, der Kempke Hof tatsächlich in ganz Pferdedeutschland und darüber hinaus bekannt war, gab sie 2010 entnervt die Hengsthaltung auf, zermürbt und aufgerieben von mangelnder Zahlungsmoral und vielen menschlichen Enttäuschungen. Der Gestütsbetrieb wurde eingestellt, noch mehrere Jahre sporadisch weiter betrieben. Ira Denkhaus wohnt heute wieder in ihrer Heimat an der Mosel, ohne Pferde, materiell nur unwesentlich ärmer, aber um viele Erfahrungen reicher. Das Anwesen wurde 2018 verkauft an Peter und Diane Vollmers, Landwirte aus Stade, die auf den großen Flächen Landwirtschaft betreiben. Auch heute stehen wieder Pferde in den Stallungen, Gestütsbetrieb gibt es nicht mehr. Ronald Lüders ist selbstständiger Dressurausbilder bei Güstrow und die ehemalige Auszubildende Doreen Buck, stets der Sonnenschein im motivierten Kempke Hof-Team, heute Kundenberaterin im Landgestüt Redefin. Das positive Wirken des Kempke Hofs ist in Mecklenburg bis heute deutlich spürbar.

Brookhouse Stud Ltd. 2003-2012

Nachdem das Gestüt im Niedern Ende 2002 als Zuchtstätte und Hengsthaltung aufgelöst worden war, trat ab 2003 Brookhouse Stud Ltd. an diese Stelle und füllte so eine entstandene Lücke in der hessischen Hengsthalterschaft. Die aus England stammende Dressurreiterin Emma Hindle etablierte als Tochter eines britischen Multimillionärs auf dem Rollehof bei Andreas Müller in Erbach im Odenwald, zuvor Satellitenstation des Gestüts im Niedern, eine dressurbetonte Hengststation. Sie hatte einen Teil der Hengste des Gestüts im Niedern von Paul Schockemöhle (Chequille, Heuriger und Silvano) erworben, die somit nach Hessen zurückkehrten, zusätzlich Diamond Hit. In ihrem Besitz befanden sich schon zuvor der Däne Lillemarkens Arkibald und der in Hannover bekannte Grand-Prix-Hengst Wie Weltmeyer, ihr Paradepferd für die nächsten Jahre. Als Berater im Lande waren die versierten Besamungswarte Detlef Utecht van Dijk und Karl-Heinz Hooghoff mehrere Jahre für Brookhouse Stud unterwegs.

Ergänzend kam als Pendant für Wie Weltmeyer der Hannoveraner Lancet aus den Niederlanden sowie aus dem Hause Henschke Fürstenreich und Di Caprio zur Hengstriege hinzu. Und wer im Hengststall nicht spurte, der wurde kastriert. Mit den Hengsten Wie Weltmeyer und Lancet war Emma Hindle Teilnehmerin der Olympischen Spiele in Athen und Peking, holte Mannschaftsmedaillen auf Europameisterschaften mit dem britischen Team. Sie war Schülerin von Conrad Schumacher (Gut Neuhof), jener Talentschmiede also, die zuvor schon Sven Rothenberger, Ellen Bontje und zahlreiche weitere durchlaufen hatten. Ende 2012 löste Emma Hindle, die inzwischen auch Mutter eines Sohnes geworden war, den gesamten Gestütsbetrieb auf. Ihr Vater war ernsthaft erkrankt, und so kehrte sie nach England zurück und übernahm nach dessen Tod sein Unternehmen. Ihr finaler Auftritt in Deutschland war die großartig inszenierte Verabschiedung von Diamond Hit (genannt Basil) auf der Oldenburger Althengstparade in Vechta, anlässlich derer er feierlich an das Gestüt Sprehe übergeben wurde.

Gestüt Famos 2004-2015

Der Unternehmer Klaus Ostendorf aus Cloppenburg, dem ein recht zweifelhafter Ruf in der Backwarenindustrie anhaftete, gründete 2004 das Gestüt Famos in Syke-Wachendorf. Der Name Famos setzte sich zusammen aus „FAMilie“ und „OStendorf“. Die wunderschöne Gestütsanlage umfasst die helle Reithalle und einzigartig gestaltete Außenanlage, Herrenhaus und Park, jedoch nur wenig Land drumherum. Der Sohn des Hauses, Marc Ostendorf, war einige Zeit im Springsattel erfolgreich.

Das Gestüt Famos ging mit dem Erwerb des Holsteiner Hengstes Contendro I ab 2004 auf Sendung. Der Hengst hatte die drei Jahre zuvor im Landgestüt Celle gewirkt und dort einen fulminanten Karrierestart hingelegt. Bei allen Ansprüchen, die die Züchterschaft heute so gemeinhin erhebt, hat es dem Hengst niemand angekreidet, dass er keine sportliche Beanspruchung erfuhr. Ein zweiter Platz in einer Reitpferdeprüfung mit Ole Köhler und ein 13. Platz im L-Springen mit dem langjährigen Famos-Chefbereiter Karl Brocks waren die einzigen beiden Platzierungen im Leben von Contendro I, der allerdings sehr stark züchterisch beansprucht wurde. Reiterlich wurde er durchaus präsentiert, mal von Karl Brocks und mal von Jessica Lynn Anderson (heute Thomas). 2014 hat er letztmalig in Syke-Wachendorf gestanden und ging dann nach Frankreich. Aus der Vielzahl der Hengste, die im Laufe der Jahre zum Einsatz gekommen ist, fiel besonders Van Helsing auf, der später von Denis Lynch international pilotiert wurde und sehr auffallende Nachzucht hinterlassen hatte. Helmut Klein war der rührige Leiter der Besamungsstation.

Die Gestüt Famos GmbH (die zuvor in die Hof Wachendorf Abwicklungsgesellschaft mbH übergegangen war) ging 2014 in die Liquidation. Ostendorfs Sohn Peter wickelte diese 2016 ab. Klaus Ostendorf ist am 31. Oktober 2018 im Alter von 72 Jahren nach längerer Krankheit verstorben. 2015 war letztmals Gestütsbetrieb auf der Anlage, dann fiel das Anwesen in einen langen Dornröschenschlaf und stand zu Fantasiepreisen wie 24 Millionen Euro im Internet zum Verkauf. Ende 2020 hat nun Andreas Helgstrand für einen Bruchteil des geforderten Preises die Anlage übernommen und Eva und Dr. Ulf Möller sind auf dieses reizvolle Fleckchen Erde gezogen.

Massener Heide 2013-2019

2005 hatte das Ehepaar Thomas und Irene Wiese aus einem ehemaligen Bauernhof in Unna-Massen (Westfalen) ein Reitsportzentrum mit allem Drum und Dran gemacht, den später als „Massener Heide“ bekannten Betrieb. Sieben Bewegungshallen und rund 160 Boxen gehören dazu, ebenso wie Gastronomie- und Hotelbetrieb. Nicht weniger als 39 Millionen Euro wurden in den Ausbau von Massener Heide investiert. Gerechnet hat sich das aber wohl nie; es mussten Gelder zugeschossen werden, um eine Insolvenz zu verhindern. Der Betreiber Thomas Wiese war ehemals Vorstandsvorsitzender der Unnaer Aluwerke. Diese sind seit 2017 zu 99 Prozent in chinesischer Hand. Wiese selbst hatte das Unternehmen verkauft, blieb aber zunächst Vorstandsvorsitzender, bis er im November 2018 von den neuen Betreibern abgesetzt wurde. Man warf ihm Veruntreuung bzw. Unterschlagung vor, nämlich mit Geldern aus dem Betrieb anderweitige finanzielle Lücken gestopft zu haben, u. a. war von der Finanzierung von mehreren „Supersportwagen“ auf Kosten der Firma die Rede.

Von 2013 bis 2019 gab es auch eine Hengststation. Der diesbezügliche Hoflieferant war über Jahre Heinrich Ramsbrock: Wiese wollte kaufen, und Ramsbrock konnte liefern. Ganz legales Geschäftsgebaren. Vorzugsweise auf dem DSP-Körplatz in München wechselten Hengste über mehrere Jahre hochpreisig aus Menslage nach Massen, und gegen Hengstaufzüchter, die ihre Kundschaft zum Körplatz mitbringen, ist prinzipiell nichts zu sagen. Das gab es anderenorts ebenfalls schon mehrfach über Jahre. Zum Bestand gehörten u. a. etwa der Trakehner Hengst Berlusconi, ferner Cardini, Starlight Express, Seitensprung, Acheron und Quattromani. Nicht aus dem Ramsbrock-Portfolio stammte der NRW-Körsieger 2012, Like a Diamond NRW, der in Ermangelung der Gangart Schritt nur wenig gedeckt hat (vier Nachkommen im Sport), aber trotzdem 2020 (unverändert unter der Flagge von Massener Heide) bis Grand Prix platziert war. Das einstige Vorzeigeobjekt steht ebenso unverändert zum Verkauf.

Gut Lonken 2017-2019

Der Genforscher und Betreiber des Werlhof Instituts in Hannover, Dr. Mario von Depka-Prondzinski aus Isernhagen, zeigte sich Ende der 2000er Jahre begeisterungsfähig für Oldenburger Pferde. Er hat sich in den Jahren nach 2010 eine nicht unerhebliche Anzahl an Pferden zusammengekauft und diese auch fleißig vermehrt, zunächst in enger Zusammenarbeit mit dem Zuchthof Kathmann in Hausstette. Von dort erwarb man einige Hengste, u. a. den wertvoll gezogenen und zunächst im Teilbesitz befindlichen Belissario sowie den bewährten Halbblüter Licotus. Anfängliche und bereits kostenintensive Pläne, direkt in der Nachbarschaft zum Zuchthof Kathmann zu bauen, wurden verworfen, doch die Pferde brauchten Platz, den das heimische Grundstück in Isernhagen allein nicht zu bieten hatte. Nach einer Übergangsphase in dem nur kurzzeitig betriebenen Gestüt Pilz in Lilienthal folgte der Erwerb des ehemaligen Vollblutgestüts Birkenmoor bei Visselhövede. Die renovierungsbedürftige Anlage wurde modernisiert und 2017 ging die Deckstation ans Netz, mit dem Weltmeister der jungen Dressurpferde, Don Martillo, als Paradepferd. So wertvoll die Studien in Sachen Genomischer Selektion für den einen oder anderen auch sein mögen: In Sachen Hengsthaltung ist von Depka über das Stadium „Jugend forscht“ nicht hinausgekommen. Falsche Beratung führte zu Fehlkäufen, schlechter bzw. unsteter Beritt zu äußerst mäßigen HLP-Ergebnissen (2017 fielen drei von fünf Hengsten aus dem Lonken-Portfolio durch den HLP-Sporttest in Münster) und teils langen Ausfallzeiten, ein gewisser Personaldurchsatz (Besamungswarte waren u. a. Sebastian Krause und Michael Schulz, im Sattel saß kurzzeitig Anna-Sophie Fiebelkorn) kam hinzu und mit dem Züchter und Mitbesitzer von Don Martillo kam es zum Rechtsstreit, der unverändert anhält. Seit Ende 2019 ruht der Gestütsbetrieb, die Anlage steht via Internet zum Verkauf. Der Hengst Licotus kehrte Anfang 2020 zu seinem langjährigen Besitzer Josef Kathmann zurück.

 


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