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Abritt - oder aus dem Leben des Tierarztes Dr. Peter Cronau (Teil 9) PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Peter F. Cronau/ dl   
Sonntag, 24. März 2024 um 14:53

Turniere in Tripolis in jenen Jahren hatten eher ländlichen Charakter - auf der Teilnehmertribüne Jürgen Ernst (Verden), der seinen Schimmel am Zügel hält...

(alle Fotos privat)

Nicht weniger als zehn Jahre wurde Tierarzt Dr. Peter F.Cronau immer wieder auch nach Libyien gerufen, um für den damaligen Despoten Gaddafi zu Diensten zu sein, beispielsweise bei Turnieren. Die Zeit habe ihn geprägt, sagt er, und auch Spuren hinterlassen, wie Alkoholschmuggel, Segeln über Minen oder Frühstücken mit einem Terroristen...

Beim Oktoberfest 1970 in München lernte ich den Springreiter Bernd Kuvertz kennen, und der war als Trainer in Libyen verpflichtet worden. Die offizielle Bezeichnung für den souveränen Staat lautete: Libyen Arab Jamaharija. Letzteres heißt auf Arabisch: „Vom Volk gewählt“. Zur näheren Erklärung: Die libysche Revolution fand 1969 am 01. September statt, als Gaddafi, der in Großbritannien eine militärische Ausbildung erfahren hatte, den damaligen König Idris mit seinem Offiziers-Kommando-Komitee absetzte.

Bernd Kuvertz legte mir damals im Frühjahr Röntgenaufnahmen von Gaddafi’s Lieblingspferd mit Namen „Mabrouk“ vor. Dieses Pferd litt an einer Knochenabsplitterung am Kronbein. Ich riet zu einem operativen Eingriff. Diesem wurde zugestimmt, was mich zu einer Reise nach Tripolis veranlasste. Das Pferd wurde im Beisein von Gaddafi und einigen Militärs in der Box operiert. Ich selbst war in Personalunion sozusagen Anästhesist und Operateur. Zwischenzeitlich benötigten wir frisches Wasser. Mein Frau Sigrid, die mich begleitete, sagte zu Gaddafi: „Wir brauchen Maa“, also Wasser. Gaddafi höchstpersönlich machte sich auf und holte einen Eimer frischen Wassers. Wenn man bedenkt, dass eine Frau nach arabischem Muster wirklich keine Weisungsbefugnis besitzt, bis heute nicht, war dieser Vorgang, dass eine Frau auch noch sozusagen dem Oberst Gaddafi einen Befehl erteilte, der erste emanzipatorische Vorgang in der kompletten arabischen Welt.

Die Operation verlief zufriedenstellend, der Oberst war zufrieden. Mit diesem Ereignis begann eine zehn Jahre dauernde Beziehung zwischen Gaddafi, seinem Oberst Ali Fituri und mir. Wir richteten eine Apotheke ein, die Operationsräume wurden fertiggestellt. Es existierten hervorragende pferdegerechte Stallungen. Ein Tierarzt stand immer parat. Auf die Frage, wo er studiert habe, sagte der, sechs Wochen in Ägypten.

 

Alleinherrscher Gaddafi überreicht einen Pokal

 

Später wurde ich an die Universität in Tripolis verwiesen. Der Dekan hieß Abdel Said. Der hatte in Gießen studiert. Ich wurde zum Professor mit Lehrbefugnis ernannt und unterrichtete mehrere Studenten. Im Laufe der Jahre habe ich mehrere Pferde operiert. Die meisten Tiere kamen als Importe aus Irland, wo ein gewisser Dermot Forde den regen Handel betrieb. Die Pferde erhielten nach der Ankunft in Lybien arabische Namen z.B. „Fakher“ (früher Schoolmaster), „Mahoub“, „Hanaa“, „Marshalla“ und „Etlal“ etc. und wurden von libyschen Reitern vorgestellt. Die erfahrensten Reiter waren Hedi Beshir und Mohammed Sgair.

Das erste internationale Turnier CSI Tripolis fand 1978 statt. Es waren einige Hürden zu bewältigen. Da das nordafrikanische Land niemals irgendwelche Meldungen über Seuchen generell an die Zentrale OIE (Office Internationale des Epizooties, gegr. 1924) machte, wurde es als Seuchenträger besonders für die höchst infektiöse Afrikanische Pferdepest eingestuft. Nach meinen persönlichen Studien vor Ort wurde davon ausgegangen, dass der nördliche Teil des Landes Libyen frei von der Pferdepest sei. Auch sorgte ich dafür, dass nunmehr kontinuierlich Meldungen nach Paris zur OIE geschickt wurden, was unverzichtbar auch für die FEI (damals mit Sitz in Bern) war.

Springparcours aus Wien von EM

Da im Land selbst keinerlei Infrastruktur für ein Turnier vorhanden war, wurde der gesamte Parcours der Europameisterschaft 1977 aus Wien erworben. Als Parcoursbauer verpflichtete man Hans-Heinrich („Micky“) Brinckmann, den ehemaligen großartigen deutschen Springreiter und später unglaublichen Hindernisgestalter. Zum Chefrichter wurde Ernst Gössing ernannt. Der erste Flug mit teilnehmenden Pferden erfolgte von Amsterdam aus durch die Fluggesellschaft KLM. KLM war bekannt für erfahrene Flugbegleiter (Animal Attendant), einer davon war ein Riese, den alle nur “Big Ben“ nannten. Das ganze Abladezeremoniell war durchaus abenteuerlich, da in Tripolis ein Pferdetransport zum ersten Mal per Flugzeug angekommen war.

 

Auf dem Foto (von links) Chefrichter Ernst Gössing, Parcoursbauer Olaf Petersen sen, neben ihm sein "Assi" Arno Linzmeier und vorne Springreiter Peter Weinberg

 

Wir waren (auch die beiden Piloten) in einem Hotel an der Küste mit Namen „Shatti Andalous“ untergebracht. Für die Piloten ungewöhnlich, in einem Doppelzimmer zu schlafen, andere Möglichkeiten gab es anscheinend nicht. Ein Pilot sagte ziemlich aufgebracht zu mir: „Hey Doctor, tell you friend Gaddafi, next time, when he sends horses to Tripoli, he should send them by boat!” (Hey Doktor, sagen Sie Ihrem Freund Gaddafi, wenn er das nächste Mal Pferde nach Tripolis schickt, sollte er sie per Boot schicken!“)

Das Hotel, wo wir wohnten, besaß einen Bootssteg, und die ausländischen Reiter konnten sich gegen die Hitze tagsüber am und im Wasser abkühlen. Unserer Klinik und die Military Riding School kommunizierten immer per Telex. Das war damals die einzige unkomplizierte Verbindungsmöglichkeit. Ein Telefongespräch musste nämlich eigens angemeldet werden, und meistens musste man stundenlang auf eine Verbindung warten.

In den zehn Jahre dauernden Verbindung zu Gaddafi und seinen Mitarbeitern habe ich natürlich einige Abenteuer erlebt. Gaddafi selber verstand und sprach fließend Englisch. In Interviews und Gesprächen, die auf Englisch geführt wurden, ließ er sich die Sätze immer ins Arabische übersetzen. So nutze er die Zeit, um sich die Antwort zu überlegen und erwiderte dann auch auf Arabisch, was der Dolmetscher dann auf englisch übersetzte. Ähnlich arbeitet übrigens auch Putin bei Interviews mit deutschen Fragestellern, obwohl der russiche Präsident und ehemalige Geheimdienstagent mit Arbeitsplatz DDR gut deutsch versteht und auch spricht.

Nach dem tödlichen Anschlag 1984 auf eine Polizistin wohl aus der libyschen Botschaft in London heraus, kam es zu einem Vergeltungsschlag. Zwei Jahre danach erfolgte die Rache für die ermordete Yvonne Fletcher: Die englische Regierung ließ damals amerikanische Bomber von ihren Flughäfen starten, um Libyen zu bombardieren. Über 50 Tote wurden anschließend gezählt, darunter auch eine Tochter von Gaddafi. Kurz danach war ich bei Gaddafi zu Hause und konnte mir die Einwirkungen des Bombenanschlags ansehen. Ein Begleiter von mir knibbelte sich ein Teil des Geschosses ab, wo US-Army darauf stand und hatte damit ein Souvenir.

Auf dem CSI Tripolis waren ständig die Tuaregs auf ihren Kamelen zu Gast. Beduinen in ihren klassischen Kostümen mit exklusiven Zäumungen und Sättel, die mit Gold- und Silberfäden geschmückt sind, ritten in Formation der „Fantasia“. In der Regel reiten mehr als zehn Teilnehmer nebeneinander die Piste hinunter. Dabei schießen sie mit ihren Gewehren in die Luft. Um das Schauspiel zu beobachten, schickte mich Colonel Ali Fituri auf die Tribüne auf einen Platz neben Gaddafi. Mich überkam Angst bei der Schießerei der Fantasia-Reiter. Bei jedem Schuss überlegte ich, wohin ich mich werfen sollte, wenn ein Projektil auf den Leader abgegeben werde. Es ist nichts passiert. Gaddafi war immer gut beschützt von seinen weiblichen Bodyguards.

Für das Turnier nichts zu teuer

Das Turnier in Tripolis fand in einem Reitstadion statt, Luxus pur. Gaddafi hatte an nichts gespart, ein Hallenbad gehörte ebenso dazu wie ein Theatersaal, Basketballhalle und ein Top-Restaurant, für dessen Catering beim Turnier ein 25-köpfiges Team aus Griechenland eingeflogen wurde. Das eigens auf dem Wüstensand aufgelegte Grün pflegte ein Greenkeeper aus Australien. Neben anderen Personen wurde auch ich großzügig beschenkt. Sozusagen als Eintrittsobolus gab es eine goldene Uhr, bei der auf dem Zifferblatt immer bei der Stunde 12 das Konterfei von Gaddafi auftauchte. Leider wurde mir diese Uhr gestohlen.

Eine zweite Uhr ließ Gaddafi bei Piaget in Genf individuell herstellen. Seine Lieblingsfarbe war Grün, also verfügte diese in Gold als Hufeisen gefertigte Uhr über ein grünes Zifferblatt. Dieser Chronometer wurde auch den meisten Reitern als Präsent überreicht.

Was die Fantasia betrifft, handelt es sich um eine jahrhundertelange reiterliche Tradition und ist Teil der aktuellen Identität des Maghreb. Sie steht in Verbindung mit der glorreichen kriegerischen Vergangenheit. Es gibt Fantasias, seit die Stämme Nordafrikas Kriegszüge auf Pferden durchführten.

Mit den Fantasias halten die Berber eine 2000-jährige Kriegstradition aufrecht.  Ihre Reiter zogen schon mit Hannibal über die Alpen, die Anwohner stellten sich den islamischen Invasoren entgegen und eroberten dann gemeinsam mit den Arabern Spanien. Über viele Generation hinweg haben sich die alten Reitkünste erhalten.

Mit „Carlos“ beim Frühstück…

Mit keinem anderen als „Carlos, der Schakal“ habe ich an einem Vormittag im damaligen Grand Hotel Tripolis gefrühstückt. In Unkenntnis seiner Person bin ich am Nachmittag zusammen mit ihm nach Rom geflogen. Erst später habe ich diese Begegnung registriert. Der venezolanische Terrorist hatte zwischen 1973 und 1994 verheerende Anschläge verübt.

Einmal wurde mir per Telex, was heute kaum noch jemand kennt, mitgeteilt, dass ein Pferd keinen Kotabsatz mehr hatte und dadurch leichte Koliksymptome aufwies. Ich veranlasste, örtliche Therapien durchzuführen. Am fünften Tag wurde ich gebeten, sofort nach Tripolis zu kommen und das Pferd zu operieren. Ein Assistent von mir flog von Amsterdam aus direkt nach Tripolis. Wir hatten OP-Gepäck dabei mit 110 kg Übergewicht. Alles musste schnellstens gepackt werden. Als wir am Flugplatz Tripolis ankamen, stiegen wir sofort in ein Militärfahrzeug und fuhren - wie immer - ohne Zollabfertigung zum Stallgelände. In Erwartung einer schwierigen Perspektive betrat ich die Pferdebox. Wir waren sehr überrascht, dass wohl in der Zeit zwischen Landung und Fahrt in das Stallgelände das Pferd ordentlich gemistet, also die dreifache Menge des üblichen Kots abgesetzt hatte. Ich sagte zu meinem Assistenten: „ Hier können wir nichts verdienen, wir fahren sofort wieder zurück“. Das machten wir auch, wir flogen unverrichteter Dinge mit derselben KLM-Maschine heim.

Unbedarft im Segelboot über Minen

Wieder mal in Tripolis. Dabei hatte ich den Assistenten Heinz-Georg H. Wir waren im Hotel „Shatti Andalous“ untergebracht. Im Sand lag vor dem Hotel ein Katamaran – genau gesagt ein “HobieCat 16“. Ich war in der Lage, einen Katamaran zu segeln und fragte den Hoteldirektor, ob ich segeln dürfte. Er meinte „Ja“, denn das Boot gehörte dem Hotel. Ich kontrollierte das Boot, es war alles vorhanden, und wir machten einen 2-stündigen wunderbaren Segeltörn auf dem Mittelmeer. Klares Wasser, keine Abfälle und leichter Wind – alles passte. Am späten Nachmittag fuhren wir ins Camp und ich erzählte unser Segelereignis dem Sekretär Assad El Giamal. Der erbleichte und verlor fast seine Stimme. Ich erfuhr, dass die gesamte Küste – auch vor dem Hotel – vermint sei. Der Umstand, dass ein HobieCat-Katamaran nur einen geringen Tiefgang aufweist, hat uns wohl das Leben gerettet. Oder, wir hatten einfach Glück gehabt.

Während der Tripolistage erzählte mir Bernd Kuvertz auch, dass er auf einem Kasernenhof 20 Leopard-Panzer entdeckt hätte. Ich wusste, dass die Bundesrepublik Deutschland keine Waffengeschäfte mit Risikogebieten erlaubt. Umso mehr war ich deshalb über Bernds Information überrascht. Wir fuhren in seinem Peugeot 404 an die Kaserne, die durch eine Mauer sichtgeschützt war. Wir stiegen auf das Dach des Autos und ich konnte tatsächlich die Leopard-Panzer in Reih und Glied auf dem Kasernenhof entdecken. Wir flogen nach meinem Trip gemeinsam nach Deutschland zurück. Als wir in Düsseldorf ausstiegen, regnete es fürchterlich. Erstaunt sah ich dann Bernd Kuvertz minutenlang im strömendem Regen stehen, er genoss das Wasser auf Kopf und Gesicht, denn drei Monate lang hatte er keinen Regen mehr erlebt....

Die brisante Info wegen der Leopard-Panzer veranlasste mich, diese medienwirksam zu platzieren. Den Leiter Sport der Bild-Zeitung damals Bodo E. Müller (Spitzname: Boney M) traf ich auf einem Turnier und erzählte ihm davon. Er war höllisch interessiert, der Bildreporter schlug durch. Die „Bild“ druckte die Story. Mein Name erschien nicht, die Geschichte lief unter Information von „einem Geschäftsmann aus Tripolis…“

 

Auch HGW reiste an

 

 

Auch ein Hans Günter Winkler (auf dem Foto mit Brille mitten), der erfolgreichste Olympia-Springreiter aller Zeiten, machte dem Tripolisturnier seine Aufwartung. Wir versorgten morgens seine Pferde. Sein in den USA erworbener Vollblüter mit Namen „Aslan“ riss sich los und verschwand in der Wüste. Alle Pfleger und libysches Stallpersonal suchten vergeblich, das Pferd schien vom Wüstensand verschluckt. Die Pflegerin heulte, zitterte in Erwartung kommender Beschimpfungen durch HGW. Als der Warendorfer am Abend zum Reiten erschien, erlebten wir das Unfassliche: „Aslan“ stand vor seiner Box, der Wallach hatte Hunger. Winkler wurde auch in Tripolis zusätzlich hofiert. Gaddafi schenkte ihm einen arabischen Sattel, der durch die Beschläge aus purem Gold so schwer war, dass ihn nur zwei Personen tragen konnten.

Eine Einladung der Deutschen Botschaft war während der Turnierphase sozusagen Pflicht, der wir sehr gerne nachgekommen waren. Wir wurden in der Residenz eingeladen. Auch der Österreicher Thomas Frühmann durfte mit. Zu Thomas darf ich noch hinzufügen, dass er seine Tierarzt-Rechnungen bei mir immer einmal im Jahr in bar bezahlte. Wir hatten diesmal vor der Einladung zum Botschafter noch abgerechnet. Ich steckte 1.250 DM in meine Anzugtasche.

Das Botschafterehepaar stand kurz vor einer Versetzung nach Ostasien. Deswegen lag in der Residenz der eine oder andere Perserteppich irgendwie rum. Ich sagte zur Gattin des Botschafters: „Da haben Sie aber ein schönes Stück“. Sie antwortete: „Können Sie haben“: Ich: „Was kostet der Bijan?“ Sie sagte: „1.250 Mark.“ Ich sagte zu meinem Begleiter Peter W.: „Einpacken“, nachdem ich die 1.250 DM von Thomas Frühmann aus meiner Anzugtasche geholt hatte.

Den Teppich wickelten wir im Camp in einen Hafersack und importierten ihn so nach Deutschland. Er liegt noch heute in meinem Wohnzimmer. Natürlich war der Empfang in den Botschaftsräumen für uns ein angenehmer Anlass, zumal wir dort auch Alkohol trinken konnten. Eine Dose Bier kostete in Tripolis normalerweise auf dem Schwarzmarkt acht US-Dollar. Der Botschaftsbedienstete (Ordonnanz) war ein Pechschwarzer aus dem Sudan. Nach fortgeschrittenem Procedere und nicht mehr so sehr sprachgewandt, sagte Reiter Lutz Gössing zu dem livrierten Diener: „Geben Sie mir doch bitte noch ein Bierchen“. Der reagierte nicht, er verstand nämlich kein Englisch.

Eingedeckt mit Whiskyflaschen

Das Alkoholverbot war in Libyen bekannt, dennoch war Alkohol für gutes Geld auf dem Schwarzmarkt zu erwerben. Ich traf per Zufall meinen alten Klassenkameraden Uli Haux auf dem Turnierplatz. Er lud mich in sein Haus ein. Er zeigt mir in seinem Keller eine Maschinerie, mir der man Bier brauen konnte. Die Strafen bei Alkoholmissbrauch waren drastisch. Eine Reitbegleitung und ich überlegten daher, wie man ein Geschäft machen könnte. Die Whiskyflasche kostete damals in Tripolis 150 $. Das entsprach ungefähr 350 DM. Ich kaufte 110 Flaschen Ballantyne für je 27 DM. Reiter Peter Weinberg konstruierte einen doppelten Boden in seiner Sattelkiste. Darin wurden die Flaschen (interne Bezeichnung: „yellow medicine“) versteckt. Die Kiste wurde nach dem Ausladen der Pferde zuhause im Stallbereich abgestellt. Der Bonus floss, ich habe nur einen kleinen finanziellen Beitrag erhalten. Wenn ich heute an diesen Schmuggel denke, wird mir ganz schlecht.

Die Stromversorgung in der Military Riding School in Tripolis war sehr improvisiert und fiel gelegentlich aus. Wir hatten ein Pferd auf dem OP-Tisch, der – wenn in die Aufstehbox verschoben – gleichzeitig als Ausnüchterungsbox diente. Die OP war beendet, aber der Tisch ließ sich aufgrund des Stromausfalls nicht bewegen. Das Pferd konnte auf dem OP-Tisch natürlich nicht aufstehen. Ich rief also alle Männer zusammen, es waren insgesamt über zwanzig. Wir hoben gemeinsam den schweren Tisch in die Aufstehbox. Ein wahrer Kraftakt, denn der OP-Tisch war so schwer, dass man einen Elefanten darauf hätte operieren können.

Das Reiterstadion hatte helles Flutlicht, weil ebern auch öfters abends geritten wurde. Wir wiederum haben in Kenntnis der fragilen Stromversorgung immer geflachst und gesagt: Wenn das Flutlicht im Reiterstadion angeht, geht es in der Stadt aus...

Auf einem Turnier in Libyien wurden damals zunächst keine Preisgelder oder Spesen ausgezahlt. Chefrichter Ernst Gössing ließ sich jedoch nicht abwimmeln, wenngleich die Libyer sagten: „Wir bringen euch das Geld, wir wollten sowieso mal sehen, wie ihr wohnt.“ Wir wurden also in die Nationalbank beordert, wo die Auszahlung erfolgte. In dem riesig großen mit Marmorboden bedeckten Raum hockte mitten drin eine Personengruppe und kochte den in Libyen üblichen grünen Tee auf offenem Feuer, auch das gehörte zum Land, wir staunten wieder einmal mehr...

Embargo zeigte keine Wirkungen

Das Embargo der westlichen Länder – vor allem von Großbritannien und den USA – konnte anfangs ganz gut kompensiert werden. Aber mit der Zeit zeigte es doch Wirkungen. Bei einem verhängten Embargo werden auch Umwege gesucht und gefunden. So wurde ein Österreicher mit Namen Peter Neumann akquiriert, der sich der Mangelsituation annahm. Er belieferte die Armee u.a. mit Wolldecken und er schaffte auch Ersatzteile für die Boeing 727 herbei. Die Piloten unkten damals schon: „Boeing 727 – the only three hole flying museum“. Auch Lebensmittel wurden importiert. Interessant war die Existenz einer „Quality Control“ in diesem etwas unterentwickelten Land. Bei den Wolldecken wurde jeweils die Qualität für gut befunden – und danach floss Geld.

Während eines Turniertages traf ich per Zufall während der Embargo-Phase einen englischen Tierarzt-Kollegen Andrew H., den ich aus vergangenen Seminartreffen kannte. Ich fragte ihn: „Was machst Du denn hier?“ Er antwortete: „Ich bin hier von der pharmazeutischen Firma Wellcome und verkaufe Wurmkuren für Schafe“. So sah ein Embargo aus: Behördliches Verbot des Exports oder Imports von Gütern und Dienstleistungen in einen bzw. aus einem bestimmten Staat.

Flug und Reisen in die Geschichte

In der freien Zeit flog ich einmal zu einer Oase südlich von Tripolis. Das Flugzeug war eine Fokker Friendship, die statt Türen nur eine Sicherungskette hatte ein wahrlich abenteuerlicher. Eine Oase ist wie ein Wunder, grünes Land in der Wüste. Manchmal während des Turniers fuhren wir in eine historische Stadt namens Sabratha westlich von Tripolis – eine im 7. Jahrhundert v. Chr. von den Phöniziern errichtete Stadt, die mit Tyros und Leptis Magna die Region Tripolitanien begründete und unter die Kontrolle Karthagos geriet. Die Anlage wurde nur unvollkommen ausgegraben und kaum restauriert. Wir, mit unserem halbhistorischen Wissen bedauerten, dass die Ausgrabungen nicht vollkommen komplettiert wurden. Die Ursache war wohl, dass Gaddafi gesagt haben soll, man kümmere sich nicht darum, sei schließlich nicht unsere Kultur.

Bei den Turnieren in Libyen handelte es sich jeweils um Veranstaltungen auf Einladung. Und es gab für damalige Zeiten ein hohes Preisgeld in US-Dollar. Die Pferde wurden per Flugzeug abgeholt, für lau geflogen wie auch die Reiter. Anfänglich begleitete ich persönlich die Flüge. Später führten die Flugbegleitung Assistenten aus der Klinik durch. Die Flüge verliefen nicht immer komplikationslos. Bei einem Rückflug hatten wir alle Tiere gerade an Bord, da bekam ein Pferd des Österreichers Rüdiger Wassibauer Platzangst und erlitt eine Kolik. Ich gab mein Möglichstes, wurde aber nicht Herr der Lage. Also mussten alle Pferde wieder ausgeladen werden. Der Kapitän und ich wollten das Pferd nicht mehr mitnehmen, und so wurde auch entschieden. Es blieb ein Jahr lang in Libyen und konnte dann komplikationslos nach Österreich geflogen werden.

65 km zum Flughafen geritten…

In Zagreb sollten einmal Pferde aus dem damaligen Jugoslawien zugeladen werden. Und es mutete schon komisch an, dass ein Pferd mit Namen „Gangster“ nicht zum Flugplatz im Transporter gefahren werden konnte, sondern 65 km zum Flughafen geritten wurde. Mit vereinten Kräften und mit dem gewieften bekannten australischen Springreiter Kevin Bacon, der mit allen Registern des Pferdeverladens vertraut war, schoben wir das Pferd auf die Verladepalette. Auf dem Flug randalierte das Pferd, es schlug die Boxenseite durch und kam gefährlich in die Nähe der Innenwand des Flugzeugs.

Der Flugkapitän brachte mir einen Bolzenschussapparat und sagte: „Doctor, don’t loose time“. Ich konnte im Verlauf das Pferd jedoch so ruhigstellen, dass es sozusagen im Stehen schlafend zum Endziel transportiert werden konnte.

Die libyschen Springreiter nahmen übrigens an einigen Turnieren teil, so z.B. auf dem Wiesenhof in Salzburg, dem CSI in Möbling in Österreich und am CSI in Neumünster. Die Reiter mit ihren Pferden waren später längere Zeit im Gestüt von Hubert Vornholt in Angelmodde bei Münster untergebracht, was als Trainingsaufenthalt fungierte.

Gaddafi mit terroristischen Aktivitäten

In England sind die Gesundheitsbehörden bekanntermaßen sehr streng. Das hängt natürlich u.a. mit dem Inselstatus zusammen Wir sind mit den Pferden aus Libyen regelmäßig in Stanstead - einem nördlich von London gelegenen Flughafen - gelandet. Die Behörden, verbeamtete Tierärzte, hatten extreme Angst, dass Mücken und Fliegen im Flugzeug auf das englische Territorium geraten könnten und Seuchen einschleppen. Deshalb kamen nach der Landung Personen mit riesigen Sprayflaschen in den Frachtraum und versprühten unendlich viele Pestizide im Flieger. Die Türen durften deshalb auch nicht geöffnet werden. Nach etwa15 Minuten Einwirkungszeit wurde die große Verladetür im linken vorderen Flugzeugbereich dann entriegelt. Was geschah? Der größte Teil der Fliegen nutzte die Gelegenheit und flog nach draußen. So verfehlt man Maßnahme und Wirkung. Das kann man durchaus auch als Schildbürgerstreich bezeichnen.

Bei aller Wertschätzung des Pferdefreundes Mohammad al Gaddafi ist es mir aber doch auch ein Anliegen, darauf hinzuweisen, welche terroristischen Aktivitäten dieser politische Despot vollbrachte. Ein fatales Beispiel ist der Lockerbie-Anschlag. Das war war ein Bombenanschlag auf ein Verkehrsflugzeug vom Typ Boeing 747-121 der US-Amerikanischen Fluglinie Pan American World Airways (Pan-Am-Flug 103) am 21. Dezember 1988. Laut Urteil schottischer Strafgerichte war der Anschlag ein staatsterroristischer Akt libyscher Geheimdienstler. Das Land zahlte 2,46 Milliarden US-Dollar Entschädigung an die Hinterbliebenen der Opfer. Auch das Buch „Der fünfte Reiter“ (Ullstein-Verlag) aus dem Jahr 1980 von Larry Collins und Dominique Lapierre erklärt beispielhaft die terroristischen Aktivitäten des Mohammad al Gaddafi. Es stand eine Woche lang auf der Spiegel-Bestsellerliste.

(Fortsetzung folgt)

 

 

 

 


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