Rio de Janeiro oder die besonderen Vorbereitungen der Reiter |
Geschrieben von: Oliver Wehner/ "Die Rheinpfalz"/ DL |
Montag, 18. April 2016 um 15:18 |
Ludwigshafen. Olympia ist immer etwas ganz Besonderes, anders als jedes Championat. Olympia ist einmalig, es gibt nach vier Jahren keine Titelverteidigung, man wird kein Ex-Olympiasieger, Olympia verlangt deshalb auch auch besondere eigene Vorbereitungen – wie nun vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro…
Schleifen und dazugehörende Medaillen bei Championaten hat Desperados auf den großen Dressurbühnen der Welt nun schon zuhauf gesammelt. Aber was den schicken 15 Jahre alten Rapphengst da im August erwartet, wenn fern seiner Oldenburgischen Heimat in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele sein werden, ist neu. „Desperados ist noch nie geflogen“, weiß Kristina Bröring-Sprehe, seine Reiterin. Eine bloße Feststellung, nicht sorgenvoll geäußert. „Eigentlich bin ich da völlig entspannt. Wenn es so sein sollte, wird schon alles klappen“, sagt die amtierende Doppel-Vizeeuropameisterin und WM-Dritte in den Einzeldisziplinen lächelnd.
Dass es so sein wird, davon kann man getrost ausgehen, sofern Desperados gesund bleibt und den vorgeschriebenen Sichtungsweg beschreitet. Das Paar führt die Weltrangliste an, beherrschte 2014 und 2015 die deutschen Meisterschaften in Balve, trug stets seine Prozentpunkte zu den deutschen Mannschaftserfolgen der vergangenen vier Jahre (Olympia-Silber, EM- und WM-Gold) bei.
Am 1. August also würde Desperados dann im belgischen Lüttich, von wo aus die vierbeinigen Olympia-Teilnehmer Europas abheben, verladen werden in eine Boeing 777F der arabischen Nobel-Airline Emirates. 44 geräumige Pferdeboxen samt Passagieren finden Platz in der Maschine, allerdings nur elf Betreuer – also Grooms (Pfleger) und Tierärzte – dürfen mit in den Flieger, ebenso wie 800 Kilogramm Ausrüstung und 120 Kilogramm Futter für jedes Pferd. Die Reiterinnen und Reiter fliegen also ganz normal Linie – und nehmen in Rio (hoffentlich) gesund ihre Pferde wieder in Empfang. Ein deutscher Transporteur chauffiert dann die wertvolle Fracht mit fünf Trucks vom Flughafen in die großzügigen Stallanlagen in Deodoro im Norden Rio de Janeiros. „Unsere Reiter“, betont Dennis Peiler, der Sportchef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) erfreut, „werden im Olympischen Dorf schlafen.“ Das war nicht immer so – seit ewigen Zeiten nicht, was vor allem die Dressurreiter angeht.
Wenn Desperados landet, sind die deutschen Vielseitigkeitspferde schon seit zwei Tagen da. Dass Ingrid Klimke (48) sich dann bereits akut auf den Dreikampf aus Dressur, Geländeprüfung und Springen vorbereitet, ist ähnlich wahrscheinlich wie Bröring-Sprehes Erscheinen. Nur mit welchem Pferd, ist noch etwas fraglich, wenngleich ihre Stute Escada vor dem Halbblüter Hale Bob die Nase vorn hat. Dass die Reitmeisterin jetzt auf Olympia zuarbeiten kann, ist aber doch nicht so selbstverständlich. Denn Anfang des Jahres musste sie sich einer Darmoperation unterziehen, konnte fünf Wochen nicht reiten. „Ich bin froh, dass mich der Blitz im Februar und nicht im Juni getroffen hat“, sagt Klimke wieder gewohnt munter. Ihre Stallmanagerin habe die Pferde über die Zeit ihrer Rekonvaleszenz „toll in Schuss gehalten“.
Auch die Springreiter schicken – wie Dressur- und „Busch“-Equipe – ein Quartett gen Rio, bloß ein paar Tage später. „Ziel ist erstmal die Mannschaftsmedaille“, sagt Bundestrainer Otto Becker; eine Plakette im Einzel wäre die Zugabe. Rio-Kandidat Ludger Beerbaum (52) weiß am allerbesten, wie groß die internationale Konkurrenz geworden ist. 1988 startete er erstmals bei Olympia. „Seitdem tummeln sich viel mehr Länder auf dieser Plattform“, sagt er.
Das gilt auch für die Paradressur, deren Prüfungen rund einen Monat später in Rio sein werden. Die deutschen Vorreiter sehen sich in einer – freundschaftlichen – Rivalität mit Briten und Niederländern. First Lady Melody, das neue Pferd von Dr. Angelika Trabert, hat indes dem Weltstar Desperados etwas voraus: Die Stute ist schon geflogen, kürzlich nach Doha ...
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