Ein Vogel als Überflieger... |
Geschrieben von: Oliver Wehner/ DL |
Donnerstag, 03. Dezember 2020 um 15:40 |
Dagobertshausen. Mit dem Namen Richard Vogel konnte auch in Insiderkreisen bis vor wenigen Wochen kaum jemand etwas groß anfangen. Das änderte sich, nachdem Mitte November beim Preis der Nationen von Portugal in Vilamoura er in seinem ersten Preis der Nationen im siegreichen Team der Beste war. Oliver Wehner von "Die Rheinpfalz" hat sich mit ihm unterhalten.
Zugegeben, Wortspiele mit Namen sind Geschmackssache – und allenfalls in geringer Dosis zu genießen. „Doch in diesem Fall trifft es einfach das Geschehen eines seltsamen Sportjahres. Richard Vogel ist der Überflieger der deutschen Springreiterszene in dieser Corona-Saison. In der vieles anders war. „Aber für mich lief es“, sagt Vogel demütig, „ich kann nicht klagen.“ Wie auch, wenn ein gerade mal 23-Jähriger plötzlich laut der nationalen Punktrangliste in den Top Ten auftaucht – als Neunter, inmitten von großen Namen wie Marcus Ehning, Daniel Deußer, Christian Ahlmann (die ersten drei).
Aber dies kommentiert der Jungstar unaufgeregt wie ein erfahrener Pferdewirtschaftsmeister in den Enddreißigern oder einer, der schon 50 Nationenpreise für Deutschland geritten ist. „Ich bilde mir nicht mega viel darauf ein“, sagt Vogel nüchtern, „zunächst mal heißt das einfach, dass man in dem Jahr nicht viel falsch gemacht hat. Ich hatte halt viele Pferde auf den Turnieren. So kommt man zu den Punkten.“
Also, locken wir den coolen Nachwuchsstar dann eben mit einem echten Höhepunkt seiner Karriere: seinem Nationenpreisdebüt vor zwei Wochen in Portugal, als er mit seinem schnellen, dennoch vorsichtigen „und schlauen“ Wallach Floyo und zwei Nullrunden der Matchwinner der deutschen Nationalmannschaft war. „Ja“, sagt Vogel, und jetzt leuchten doch die Augen, „das war ein besonderer Tag“. Assistenz-Bundestrainer Heinrich-Hermann Engemann, der in Vilamoura seinen Ausstand gab und fortan die Kolumbianer betreut, lobte seinen U25-Schützling: „Richard hat während der gesamten Corona-Zeit gezeigt, dass er gut drauf ist.“ Vogel bezeichnet sich selbst als „etwas unstrukturiert, unpünktlich“. Das aber habe ihm Engemann fast ausgetrieben, verrät er lachend: „Er hat mir auf die Finger geklopft.“
Sonst hätte das hier wohl nicht geklappt: Siege und Platzierungen en masse sammelte Vogel gleich, als es wieder losging mit dem Turniersport nach dem ersten Lockdown in Deutschland. Zunächst durften nur Profis reiten, was auf Kritik bei Freizeitreitern und Amateuren stieß. „Aber über diese Schiene gab es ja überhaupt erst wieder Turniere“, gibt Vogel zu bedenken, dass die Profis Türöffner waren: „Auch für die Amateure.“
Amateur ist Richard Vogel seit seiner Lehre beim Reiter-Verein Mannheim und erster Beritt-Tätigkeit bei Bernd und Martina Herbert im südhessischen Viernheim nicht mehr. Danach arbeitete er zweieinhalb Jahre als Bereiter im Stall von Altmeister Ludger Beerbaum in Riesenbeck: „Bei ihm konnte ich mich auf meine Selbstständigkeit super vorbereiten.“ Und nach einem Abstecher zurück nach Viernheim wirkt er nun an der Seite von David Will als Bereiter des Hofguts Dagobertshausen bei Marburg.
Für den Reiter-Verein Mannheim will der gebürtige Schwabe jedoch weiterhin antreten, zumal dessen Präsident Peter Hofmann ja als Spitzenfunktionär des nationalen Verbandes in Warendorf im Springsport – Ausschussvorsitzender - immer ein waches Auge auf den Shootingstar des Jahres hat.
Die deutsche Meisterschaft Anfang Dezember in Riesenbeck im Reitzentrum vor der Surenburg in Riesenbeck unweit der Anlage von Ludger Beerbaum verpasste Vogel. Denn lange war unsicher, ob die DM wegen der Corona-Lage in der Halle stattfinden kann. So entschied man sich in Dagobertshausen für die sichere Variante: Freiluftturniere in Spanien. Dort war Vogel am Wochenende hocherfolgreich, dort weilt er noch zwei Wochen, dann wird’s ruhiger. „Aber runterkommen ist in dem Job schwierig“, weiß er. Zu Hause warten auch Pferde, „die bewegt werden wollen, die Besitzer wollen Fortschritte sehen“. So ist das als Berufsreiter. „Ein Turnier noch in Belgien“, verrät Vogel, „und dann ist ein bisschen Weihnachten.“ Immerhin.
|