Sie befinden sich hier: Home Porträts Reitmeister Wolfgang Müller wird 90

Wer ist Online

Wir haben 1074 Gäste online

Suche

Anzeige

Anzeigenschaltung

Google Translate

German Chinese (Simplified) Chinese (Traditional) Czech Danish Dutch English French Galician Greek Hungarian Italian Japanese Norwegian Polish Portuguese Romanian Russian Spanish Swedish Turkish Ukrainian

Zugriffe seit 16.09.2009

Anmeldung



Anzeige

Banner

Anzeige

Anzeige

Banner

Anzeige

Anzeige

Anzeige

Fotoanfragen über KHFrieler@aol.com

Anzeige

Banner

Anzeige

Banner
Anzeige



Reitmeister Wolfgang Müller wird 90 PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Dienstag, 05. Oktober 2021 um 13:29

 

Wolfgang Müller mit Ehefrau Ina Saalbach - der "Reitmeister" ist auch ein Beispiel für nie erlahmenden Optimismus trotz einiger schwerer gesundheitlicher Schläge

(Foto: privat)

Löbnitz. An diesem 6. Oktober feiert Reitmeister Wolfgang Müller seinen 90. Geburtstag. Er ist einer der erfolgreichsten Dressurreiter der ehemaligen DDR, und er gehört zu den ganz wenigen, die trotz geringerer Möglichkeiten im Vergleich zu den Westkollegen einen erfolgreichen Weg zurücklegten. Sein Geburtstag darf auch herhalten für einen Rückblick in die Reitsportgeschichte der beiden deutschen Staaten vor über 50 Jahren…

 

Ab 1967 war auch die sportliche Welt der DDR in Ordnung. Der Arbeiter- und Bauernstaat durfte endlich mit eigenen Teams bei Wettkämpfen antreten, unter dem Emblem von Hammer und Zirkel und natürlich unter der eigenen Hymne, der Becher-Hymne („Auferstanden aus Ruinen...“). Im gleichen Jahr wurde auch der Deutsche Pferdesport-Verband der DDR als selbständige Föderation von der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) als vollwertiges Mitglied aufgenommen. Damit waren die DDR-Reiter, stets in Blau uniformiert egal in welcher Sportart, ebenfalls oben angekommen. Vorbei die schrecklichen Ausscheidungen mit den im Reiten - bis auf die Vielseitigkeit - sonst so überstarken BRD/ Westberlin-Reitern.

 

Die letzte Ausscheidung zwischen Ost und West fand im Springen vor den Olympischen Spielen 1960 in Rom statt. Die Nationalen Olympischen Komitees (NOK) der Bundesrepublik und der DDR hatten sich auf eine gemeinsame Equipe geeinigt. Fritz Thiedemann und Hans Günter Winkler wurden auf Beschluss beider NOK`s gesetzt, zur Ermittlung des dritten Starters vereinbarten die beiden Föderationen Ausscheidungen in Elmshorn und in Halle/ Saale. Printmedien waren zugelassen, Zuschauer auch, aber keine Fernseh- und Rundfunk-Reporter. Jede Seite durfte drei Reiter benennen. In Elmshorn und in Halle gewann Alwin Schockemöhle mit insgesamt 14,25 Fehlerpunkten vor dem Meißendorfer Hermann Schridde (24,75) und dem DDR-Reiter Manfred Nietzschmann (28). Damit war nach der Abmachung Alwin Schockemöhle der dritte Olympia-Reiter.

 

Doch mit allen nur möglichen Tricks versuchen die Polit-Funktinonäre der Sektion Pferdesport der DDR das Ergebnis in Halle zu kippen. Die Jury ließ über Lautsprecher den 10.000 Zuschauern verkünden, das Verrücken einer Stange in der dreifachen Kombination von Fee unter Hermann Schridde wäre ein Fehler gewesen, das Ergebnis müsse auf 16,25 Strafpunkte korrigiert werden. Erst als auch die Besucher pfiffen und protestierten, kam das internationale Reglement zum Tragen, wonach das Verrutschen einer Stange in einer Auflage keinen Abwurf bedeutet. Doch die Politruks gaben sich keineswegs geschlagen. Jetzt pickten sie sich Alwin Schockemöhle heraus. Was zunächst abgesprochen war, nämlich nicht das Pferd, sondern den Reiter zu bewerten, sollte keine Gültigkeit mehr haben. Schockemöhle hatte auf Bachus in Elmshorn gesiegt, war aber in Halle gestürzt. Die Ost-Funktionäre, im Auslegen von Paragraphen immer schon gewitzter als die Kollegen aus der Bundesrepublik, erreichten die Annullierung der Ausscheidungen und einen dritten Qualifikationswettkampf, und alles begann wieder bei null Fehlerpunkten. In Bochum siegte Alwin Schockemöhle auf Ferdl mit 9,75 Strafpunkten vor Nietzschmann auf Seegeist (11), Hermann Schridde gab mit Flagrant auf. Schockemöhle wurde für Olympia in Rom nominiert und gewann mit Winkler und Thiedemann Team-Gold, Nietzschmann war als Ersatzmann dabei.

 

DDR-Dressur überrascht vor Mexiko

 

Wenige Wochen vor den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko erregte das DDR-Trio Horst Köhler auf Neuschnee, Gerhard Brockmüller auf Tristan und Wolfgang Müller auf Marios durchaus international Aufsehen, weil die UdSSR-Auswahl in Leipzig bei einem Internationalen Turnier geschlagen wurde. Danach belegten die drei Armee-Reiter aus der DDR in Mexiko City den vierten Platz und reisten deshalb selbstbewusst zur Europameisterschaft ein Jahr später nach Wolfsburg, „zusammen mit den Pferden im Zug“, wie Wolfgang Müller erzählt. Doch ehe Horst Köhler in den Westen durfte, hatte er noch ganz andere Schwierigkeiten zu bewältigen. Der damalige Berliner Rundfunk-Sender „Rias“ hatte nämlich verbreitet, er habe sich in Mexiko von der Mannschaft abgesetzt, das wäre Republikflucht gewesen. Köhler später: „Ich habe nie herausbekommen, wer die Falschmeldung in die Welt gesetzt hatte.“

Man muss kein Dressur-Experte sein, um nicht zu erkennen, dass da ein Könner im Sattel sitzt: Wolfgang Müller auf Marios

(Foto: Foto Ludenia)

Erstmals kam nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1969 eine offizielle DDR-Mannschaft in die Bundesrepublik. Bei der Ankunft in Wolfsburg erfolgten die ersten Komplikationen, weil nämlich zunächst das nicht vorgesehene Team-Mitglied aus der DDR die Begrüßungsblumen in Empfang nahm, und auch die rasch noch zugesteckten Kuverts mit Westgeld mussten abgegeben werden, „dafür erhielten wir später andere, da war noch mehr drin“, wie sich Wolfgang Müller erinnert. Und er traf in einer fast abenteuerlichen Geheimaktion auch seine Mutter für ein Plauderstündchen, sie lebte damals längst schon im Westen.

 

Hinter der BRD/ West-Berlin, so der offizielle Sprachgebrauch der DDR, holten Wolfgang Müller, Horst Köhler und Gerhard Brockmüller doch letzuten Endes überraschend die Silbermedaille der Europameisterschaft. Zwei Jahre später in Wolfsburg folgte das nächste Europachampionat, diesmal belegte das gleiche Trio – nur teilweise auf anderen Pferden – Rang 4.

 

Vier Pferde auf GP-Niveau – sonst nichts

 

Nach heutigen Anforderungen leisteten die drei Reiter der Nationalen Volksarmee, stationiert in Potsdam, schier Unglaubliches. Sie hatten gerade mal vier Pferde auf Grand Prix-Niveau, keinen Trainer, keine Kontakte zu den westlichen großen Dressurreitern, „und auch die UdSSR-Kollegen halfen nicht“, so Wolfgang Müller. Sie waren aber jeder für den anderen da, lernten vor allem im Zirkus, wie die Pferde auf Piaffe, Passage und Einerwechsel geschult wurden, „und wir hielten unglaublich zusammen“, so Müller, der 1999 von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung den Ehrentitel „Reitmeister“ verliehen erhielt. Er sagt auch, er sei gerne Soldat gewesen, „es hat uns ja an nichts gefehlt, vor allem: Wir konnten reiten. Das war doch das Wichtigste.“ Das Größte sei für ihn „der Gewinn der Silbermedaille bei der EM in Wolfsburg“ gewesen. Er erinnert sich aber auch noch daran, „dass Liselott Linsenhoff oft sagte: Kommt zu mir, wie trinken einen...“ Die damals allgemein üblichen verordneten Aufpasser hatte Ehemann Fritz Linsenhoff vorher jeweils abgefangen.

 

Gerhard Brockmüller erinnert sich noch gut daran, „dass die sowjetischen Equipen auf der Fahrt zum CHIO nach Aachen im Vorfeld darauf drängten, dass wir noch ein Turnier aufzogen, damit sie unter Wettkampfbedingungen trainieren konnten.“ Als echten Freund im Westen nannten alle drei den berühmten Ausbilder und Reitmeister Willi Schultheis, der auch das spätere Olympiapferd Kassim vermittelte, das dann in Immanuel umbenannt wurde. Dass der Wallach mal Rosemarie Springer gehörte, durfte in der DDR nicht unbedingt publik werden, deshalb auch der Namenswechsel. Rosemarie Springer war schließlich die Ehefrau des Verlegers Axel Springer, und sein Blatt „Bild“ pflegte nicht unbedingt eine gut nachbarliche Beziehung zur damaligen DDR....

 

Die Dressurreiter der DDR hatten dann in München 1972 – wie die Springreiter bereits früher - Abschied zu nehmen von der großen internationalen Bühne des Sports. München war das Ende der DDR-Militaryreiter, und der fünfte Rang von Horst Köhler auf Immanuel, Wolfgang Müller auf Semafor und Gerhard Brockmüller bedeutete gleichzeitig die Abschiedsvorstellung der DDR-Dressur auf der großen internationalen Bühne. Perspektivlosigkeit lautete der offizielle Sprachgebrauch, oder allgemein ausgedrückt: Keine Förderung mehr, da ohne Aussicht auf Medaillen bei Championaten.

                                  **************************************

Zur Person Wolfgang Müller

Der in Landsberg/Warthe in Schlesien geborene Müller kam nach dem Krieg in der Altmark zum Reitsport. Im einstigen Landgestüt Halle-Kreuz erhielt er in den 50er Jahren als Gestütswärter eine intensive Grundausbildung. Anschließend wechselte er zum Armeesportklub Potsdam von Oberst Kopenhagen. Trainer wie Werner Eggers und Willi Lorenz prägten seine reiterliche Entwicklung. Und als er nach der Klubauflösung mit seinen Pferden Marios und Szemafor nach Löbnitz bei Leipzig zog, blieb er den Pferden und der Ausbildung treu. 35 Titel gewannen seine Schüler bei DDR-Meisterschaften. Zu den bekanntesten und wohl auch erfolgreichsten gehören Anke und Ina Saalbach, Ina Saalbach wurde nach der Wende seine Ehefrau.

 

Für seine Verdienste im Pferdesport erhielt Wolfgang Müller bereits im Jahr 1968 die Auszeichnung „Meister des Sports“ in der DDR, und nach der Wende wurden 1998 seine Verdienste als Reiter und Ausbilder durch die nationale Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) mit dem Ehrentitel „Reitmeister“ ebenfalls gewürdigt.

 

 


Um die Nutzbarkeit unserer Seiten zu verbessern, verwenden wir Cookies. Falls Sie mit der Speicherung von Cookies nicht einverstanden sind, finden Sie hier weitere Informationen. Weitere Informationen >>> Cookie-Hinweis.

Hinweis >>>