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Olympia-Ersatzreiter Manfred Nietzschmann gestorben PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Hans-Joachim Begall/ dl   
Dienstag, 31. Oktober 2023 um 19:11

 

Manfred Nietzschmann auf Wermut

(Foto: Archiv Achim Begall)

Leipzig. Im Alter von 86 Jahren starb der frühere großartige DDR-Springreiter Manfred Nietzschmann. Nach den angesetzten Ausscheidungen zwischen den Springreitern der Bundesrepublik und der DDR war er für Olympia in Rom 1960 als Ersatzreiter nominiert worden, kam aber neben Hans Günter Winkler, Fritz Thiedemann und Alwin Schockemöhle nicht zum Einsatz. Erinnerung an einen großartigen Springreiter, aber auch ein Rückblick auf damalige sportpolitische Verhältnisse des geteilten Deutschlands.

Am 22. Oktober verstarb im Alter von 86 Jahren Manfred Nietzschmann in Leipzig. Er gehörte zu den erfolgreichsten Springreitern der Nachkriegszeit in der DDR und war der Ersatzreiter der gemeinsamen deutschen Olympia-Mannschaft in Rom 1960. Geboren wurde Manfred Nietzschmann am 7. Juni 1937 in Gera als Sohn einer Arbeiterfamilie. Sein Vater Walter, der vor dem II. Weltkrieg dem Arbeiter-Turn- und -Sportverein in Crostewitz bei Leipzig angehörte, konnte seinen eigenen Berufswunsch „Jockey“ nicht erfüllen, wurde Maurer und ritt in seiner Jugend nebenbei die jungen Pferde der Bauern und heimlich des Rittergutsbesitzers.

Manfred Nietzschmann erlernte nach der Schule den Beruf eines Maurers in Böhlen. Dort schloss er sich der Grundorganisation der GST (Gesellschaft für Sport und Technik) an, die anfangs nur ein Pferd hatte und deren Reiter von Kamerad Beyer ausgebildet wurden. „Vater, was du begonnen hast, werde ich vollenden“, sagte Manfred Nietzschmann, wenn er nach seinem Hobby spät nach Hause ankam. Und er wurde ein guter Reiter - zunächst bei Kreis- und Bezirksmeisterschaften, so dass die Zentrale Trainingsstätte der GST auf ihn aufmerksam wurde. 1957 wechselte er dann zum Sportclub nach Halle.

Zu einem DDR-Meistertitel hat es Manfred Nietzschmann nie geschafft, obwohl er in der Championatswertung der DDR-Springreiter nach Punkten stets vorn lag. Von 1958 bis 1965 wurde er fünfmal Zweiter und dreimal Dritter bei den ostdeutschen Titelkämpfen auf den Pferden Seegeist, Florett, Bianca und Duellist. Mit letzterem Pferd startete er ab 1965 für den Sportclub Dynamo Hoppegarten, nachdem der Sportclub Halle aufgelöst worden war.

Als Ersatzreiter der gemeinsamen deutschen Olympiamannschaft fuhr er 1960 nach Rom. Dabei erlebte er bei den Ausscheidungswettkämpfen ein Wechselbad der Gefühle. Die Sektion Pferdesport der DDR hatte ursprünglich den Vorschlag eingebracht,  seitens der HdP (Hauptverband für Zucht und Prüfung deutscher Pferde, heutige FN in Warendorf, die Reiter Hans Günter Winkler und Fritz Thiedemann sowie einen dritten Reiter zu nominieren und den Hallenser Manfred Nietzschmann mit Seegeist in die Mannschaft zu nehmen. Dieser Vorschlag stieß jedoch bei der westdeutschen Verhandlungsdelegation nicht auf Gegenliebe. Von ihr wurde dagegen vorgeschlagen, dass die vier Springreiter in zwei Ausscheidungswettkämpfen mit insgesamt vier Umläufen ermittelt werden sollten. Nach starker Kritik der westdeutschen Öffentlichkeit, der Presse und auch des NOK-Präsidenten Willy Daume einigten sich die Nationalen Olympischen Komitees (NOK) auf eine feste Nominierung von Winkler und Thiedemann. Der dritte und vierte Reiter sollte sich in zwei Ausscheidungsspringen qualifizieren, am 22. Juli in Elmshorn und am 28. Juli in Halle. Beide Seiten konnten mit je drei Reitern mit je zwei Pferden anreisen, wovon jedoch nur ein Pferd an den beiden Umläufen teilnehmen konnte. Als Ausnahmeregelung war vereinbart worden, den beiden aussichtsreichsten Bewerbern zwei Pferde zuzugestehen, deren Namen vor Beginn der Ausscheidungen bekanntzugeben waren.

Für die Ermittlung der zu Nominierenden war die Gesamtfehlerpunktzahl der Reiter in den vier Umläufen der zwei Prüfungen maßgebend. Im Falle der Fehlerpunktgleichheit sollte es ein Stechen geben. Vom HdP des Westens wurden Alwin Schockemöhle mit Bacchus und Ferdl, Hermann Schridde mit Flagrant und Peter Stackfleth mit Tornado sowie von der Sektion Pferdesport der DDR Manfred Nietzschmann mit Seegeist und Bianka, Werner Hakus mit Faschingsball und Hans-Christian Kröber mit Florett nominiert. Die Gestalter der Springbahnen Hans-Heinrich Brinckmann (Lüneburg) und Rudi Irmer (Ost-Berlin) hatten sich von den Parcours` des CSIO von Italien in Rom 1959 und des CSIO Turin 1960 leiten lassen.

Aus der Tatsache, dass man sich bei der Festlegung des Bewertungsmodus auf die Gesamtpunktzahl der Reiter in den vier Umläufen konzentriert, jedoch nichts über die Wertung der Reiter-Pferd-Paare als Einheit vereinbart hatte, ergab sich ein neuer Diskussionsstreit. Wertete man nämlich für Alwin Schockemöhle seine jeweils besten Ergebnisse mit Bacchus (Elmshorn: 4 FP/ Halle: 36,25 FP) und Ferdl (Halle: 10,25 FP/ Elmshorn: 34,50 FP), ergab das in dieser Konstellation 14,25 Strafpunkte, so lag er vor dem Paar Manfred Nietzschmann/Seegeist, deren Gesamtpunktzahl mit einem Pferd aus allen vier Prüfungen (Elmshorn: 20 FP und Halle: 8 FP) 28 Fehlerpunkte betrug. Schließlich einigten sich beide Seiten auf ein drittes Ausscheidungsturnier, das in Bochum stattfand. Dort erkämpfte sich dann Alwin Schockemöhle den dritten Platz in der Mannschaft, und Manfred Nietzschmann fuhr als Ersatzreiter mit nach Rom. Gold in der italienischen Metropole im Park der Villa Borghese holte die westdeutsche Mannschaft in der Besetzung Alwin Schockemöhle auf Ferdl, Fritz Thiedemann auf Meteor und Hans Günter Winkler auf Halla mit insgesamt 46,50 Fehlerpunkten vor den USA mit George Morris auf Sinjon, Frank Chapot auf Trail Guide und William Steinkraus auf Ksar d`Esprit (66,00) und Italien mit Antonio Oppes auf The Scholar, Piero d`inzeo auf The Rock und Raimondo d`Inzeo auf Posilippo (80,5). Dahinter folgten die vom Deutschen „Micky“ Brinckmann trainierten Ägypter mit 135,5 Strafpunkten, die französische Equipe (168,75) und Rumänien (175). Am Start waren 18 Teams.

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Die westdeutsche Sicht der Ausscheidungen:

Für die Olympischen Reiterspiele 1960 in Rom waren Hans Günter Winkler und Fritz Thiedemann als Starter gesetzt, es ging nur noch um den dritten Reiter im damaligen gesamtdeutschen Team. Über die Ost-West-Ausscheidungen kann einiges nachgelesen werden in der vom FN-Verlag 1983 herausgegebenen, doch nicht fortgesetzten Serie „Große Deutsche Reiter“. Dort steht im Porträt über Hans Günter Winkler, dass Alwin Schockemöhle die Ausscheidungen in Elmshorn und Halle vor Hermann Schridde und Manfred Nietzschmann aus der DDR gewann. Doch die Ost-Vertreter wollten plötzlich das gefasste Kommunique nicht mehr gelten lassen und behaupteten, ausgemacht wäre gewesen, nicht die Fehlerpunkte insgesamt würden den Ausschlag geben, sondern der jeweilige Erfolg in beiden Springen. In Elmshorn hatte Alwin Schockemöhle mit Bacchus vor Manfred Nietzschmann auf Seegeist gewonnen, in Halle Nietzschmann mit Seegeist vor Schockemöhle auf Ferdl. Und der Ritt von Hermann Schridde auf Fee erhielt gar in Halle noch einen Zuschlag von vier Strafpunkten, denn das Verrücken einer Hindernisstange wurde wie ein Abwurf bewertet. Erst als die 10.000 Zuschauer pfiffen und schrien, folgte auch das Richterkollegium dem Internationalen Regelwerk, dass nämlich das Verrücken einer Hindernisauflage nicht als Abwurf zu bewerten ist.

Dann griffen sich die DDR-Richter Alwin Schockemöhle heraus. Ihn wollte man plötzlich nur noch mit Bacchus gewertet haben, von Bacchus nämlich war er in Halle aus dem Sattel gekommen. Nach den Qualifikationen von Elmshorn und Halle ergab sich nach DDR-Rechnung folgender Stand: 1. Schridde 24,75 Fehlerpunkte, 2. Nietzschmann 28, 3. Schockemöhle 40,25. Die DDR-Funktionäre hatten sich den Passus aus dem Kommunique herausgepickt: „Für den Fall, dass ein Reiter zwei Pferde reitet, wird nur das Pferd mit der besten Leistung gewertet.“

Die blauäugigen "Westler" hatten gemeint, damit wäre jedes Springen gemeint. Nach einer mehrstündigen Sitzung bis tief in die Nacht werden die Qualifikationen in Elmshorn und Halle annulliert, es kommt am 17. August 1960 in Bochum zur entscheidenden Ausscheidung um den „dritten Mann“ in Rom. Hermann Schridde auf Flagrant gibt auf, Alwin Schockemöhle siegt auf Ferdl mit 9,75 Strafpunkten vor Manfred Nietzmann auf Seegeist (11) und wird beim Nationalen Olympischen Komitee (NOK) für Deutschland zur Nominierung für Oympia in Rom vorgeschlagen. Denn nur die jeweiligen NOK`s eines Landes haben das Recht, Nominierungen für einen olympischen Start vorzunehmen und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vorzuschlagen. Die nationalen Sportverbändfe können oder dürfen nur Athleten lediglich benennen.

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Nach der Auflösung der Springmannschaften der Sportklubs kam Manfred Nietzschmann zum Volkseigenen Gestüt Radegast, wo er für die Ausbildung der Pferde und Lehrlinge verantwortlich war. So förderte er auch das Reittalent Siegmund Hintsche, der später Betriebsleiter im Landgestüt Prussendorf wurde. Auch dort an seiner neuen Wirkungsstätte war Nietzschmann noch im Springsattel erfolgreich. Bei seinen fünf Teilnahmen an Nationenpreisen konnte er u.a. mit der DDR-Equipe 1970 in Budapest das Mannschaftsspringen mit Fermor gewinnen.

Seine erste Frau Renate lernte er 1960 in Böhlen - wie kann es sein - beim Reiten kennen. Mit der gelernten Krankenschwester hatte er zwei Kinder. Doch eine schwere Erkrankung seiner Frau zwang ihn 1980 zur Beendigung der Gestütstätigkeit. So arbeitete er noch bis 1994 als Handwerker in einem Betrieb bei Halle. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er noch einmal 1987 Ingrid. Bis zu einem Umzug 2020 ins betreute Wohnen nach Leipzig wohnten sie im Elternhaus von Manfred Nietzschmann in Markleeberg.

In seiner Freizeit widmete sich Manfred Nietzschmann viel seinen Tieren, liebte den Garten und die Reisen quer durch Europa. Bis 2016 freute sich das Ehepaar auch noch an ihren Malteserhunden. In seinem Rentnerleben pflegte er aber immer weiter Kontakte zu Freunden des Pferdesports. Von einer längeren Erkrankung und einem schweren Sturz in diesem Jahr erholte er sich nicht mehr.

In der damaligen Zeit war für einen DDR-Springreiter die Nominierung als Ersatz bei Olympia in einer West-Equipe mehr als ein Orden, dafür musste einer etwas können und beweisen. Manfred Nietzchmann steht als Beweis.

 

 

 


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