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Paul und Ulli - die ungleichen Zwillinge PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 04. Dezember 2019 um 17:10

Ankum. Alles begann 1981 in Newport Rhode Island nördlich von New York in einer Strohscheune - Der Anfang der weltgrößten Sportpferde-Auktion Perfomance Sales International, die am Wochenende in Ankum zum 40. mal organisiert wird.

 

Es waren die Dollar, die in die USA lockten, damals ein wahres Schlaraffenland für den Pferdehandel. Wer als US-Bürger investierte, konnte die Pferde als Anlage oder auch als Werbung steuerlich absetzen. Und so reisten 1981 die damals längst  im Handel quirligen Paul Schockemöhle und Ullrich Kasselmann in die Staaten und organisierten in Newport Rhode Island eine Auktion mit Spring- und Dressurpferden. Ulli Kasselmann erinnert sich: „Alles fand in einer Strohscheune statt, im Rahmen des amerikanischen Spring-Derbys. Für die Springpferde hatten wir die damals besten Reiter der USA engagiert, wie Terry Rudd, Frank Chapot oder Anne Kursinski, die spätere Siegerin im Großen Preis von Aachen.“ Im gleichen Jahr zogen die beiden noch in Ocala/ Florida und dann gar in Hollywood eine Auktion auf, unter dem Titel Perfomance Sales International (PSI), auf den laut Schockemöhle sein Partner gekommen sei. Doch dann, so erzählte später der dreimalige Spring-Europameister und größte private Züchter weltweit, habe man sich entschlossen, in der Heimat weiterzumachen. Ulli Kasselmann sagt es vorsichtiger: „ Auf uns lastete auch ein bisschen die Angst vor Gerichtsverhandlungen, sollte einem amerikanischen Mitarbeiter etwas passieren, und da sind ja die amerikanischern Gerichte bei Schadensersatzklagen nicht gerade zimperlich“. Schockemöhle sagte es deutlicher: „Die Amis hielten immer mehr die Hand auf für Extrageld mit der Drohung, sonst würden sie die Arbeit niederlegen.“ Damit war die Aera „PSI“ in den USA Geschichte.

Das Duo fand in dem bis dahin ziemlich unscheinbaren Ankum in der Nähe von Osnabrück eine Reitanlage mit Hotel, passend für die 4. PSI im November 1982, günstig gelegen zum Springressort von Paul Schockemöhle in Mühlen und der Abteilung Dressur in Hagen am Teutoburger Wald von Kasselmann. Die ganz normale Reithalle krachte damals fast aus den Nähten, als die Auktion ihre unglaubliche Premiere feierte mit einem Auktionator Uwe Heckmann in Höchstform. Als „Kracher“ galt das Dressurpferd Entertainer, für den sich auch der erfolgreiche Ausbilder Dr. Uwe Schulten-Baumer mehr als interessierte, „er hatte sich“, so Ulli Kasselmann, „sogar am Tage davor im blauen Anzug, also ganz in Zivil, in den Sattel gesetzt, um den Wallach zu probieren.“  Der Ehrensold-Sohn, der auch vor der Kutsche eingespannt wurde, ging für 230.000 DM nach England in den Stall von Lady Inchcape, und angeritten hatte den Fuchs Reiner Heilmann, der seit 1991 das weltberühmte Hotel Sacher in Wien leitet.

Ulli und Paul – zwei verschiedene Typen

Ulli Kasselmann (71) und Paul Schockemöhle (74)  sind grundverschieden von der Wesensart her, beide jedoch wie Zwillinge im Verfolgen von Zielen, erfolgsorientiert, Schockemöhle wahrlich mit weniger Umwegen als Ullrich Kasselmann, den man auch den „heiligen Ulli“ nennt. Das Pferd eint sie beide.

2001 brütete ein kleiner Kreis in der sogenannten Guten Stube auf dem Kasselmannhof über das Logo und Titel eines Turniers, herauskam „Horses and Dreams“, ein Turnier aus Sport, Ausstellung, Kultur und gesellschaftlichem Treffen, das seit 2006 einen festen Platz im Turniersportkalender der Welt besetzt. Inzwischen geht „man“ zu Horses and Dreams, nicht nur aus dem Osnabrücker Land.

Alles begann bei null. Sponsoren standen nirgendwo Schlange, Ulli Kasselmann sammelte Geldgeber und Gönner auf Veranstaltungen und an den Theken ein. Nach Ende der Sammelaktion standen 100 Namen auf einer eigens aufgestellten Säule am Turniergelände. Kasselmann, der nie lange fackelt, sondern immer jeweils in die Vollen geht, veranstaltete auf seinem Hof im Jahre 2000 die erste Europameisterschaft für Ponyreiter und Junioren in Vielseitigkeit, Springen und Dressur, 2002 die EM für Junioren im Springen sowie in Vielseitigkeit und Dressur.

2005 sprang der Kasselmann-Hof für Moskau ein als Austragungsort der Dressur-Europameisterschaft, die Russen hatten dem Weltverband keine finanzielle Garantie abgeben können. Kasselmann konnte. Nur 13 Tage genügten, um alles championatswürdig zu richten. Ulli Kasselmann: "Als mein Geschäftspartner Paul Schockemöhle hörte, die Tribüne fasse 10.000 Zuschauer, schrie der am Telefon, alles abbauen, wir gaben ihm Recht - und machten gar nichts." Als Schockemöhle selbst nach Hagen kam, erfuhr er, keine Tickets mehr. Daraufhin sagte der clevere Multiunternehmer aufgrund des ihm angeborenen Geschäftssinns: "Keine Karten mehr? Wir nehmen Stempel." So liefen viele Besucher mit einem Stempelaufdruck auf dem Handrücken auf die Anlage, wie das in den Jahren nach Kriegsende für Tanzvergnügen üblich war. Die Dressur wurde im Fernsehen bei der Mannschafts-Entscheidung und in der Kür-Einzelwertung mit jeweils einer Quote von 9,8 Prozent verfolgt, das war für damalige Zeiten ein Quoten-Rekord für diese doch recht spezielle Disziplin der Kenner und Liebhaber.

Kasselmann ist auch der Erfinder von Einladungen an Partnerschaftsländer, gelebte Geschäftsbelebung. So kamen als Gastländer bisher u.a.Vertreter aus dem Oman mit Kamelen auf den Borgberg, ein Jahr vor Olympia 2008 in Peking gastierte der Chinesische Staatszirkus auf dem Hof, Österreich punktete mit dem Alpenrocker Andreas Gabalier, die Russen waren da mit dem Heeresarmee-Blasmusikcorps, die Franzosen warben mit einer ausgesuchten Abordnung, und für April 2020 sagten sich die Japaner im Hinblick auf Olympia wenige Monate später in Tokio mit einer ausgesuchten Gruppe an. Das Turnier "Horses & Dreams" setzte nicht nur Glanzlichter im Turnierbereich, wurde auch zum Wegweiser in einem Sport, der höllisch aufpassen muss, um nicht auch noch aus den Nischen des öffentlichen Interesses zu verschwinden. Ulli Kasselmann: "Wir müssen auf die Menschen zugehen, nicht umgekehrt."

Paul Schockemöhles letztes großes Ziel…

Sein ehemaliger Schüler und spätere Team-Olympiasieger Dirk Hafemeister sagte mal über ihn: „Er schiebt alles beiseite, was ihn aufhält. Nie habe ich jemanden erlebt, der so konzentriert den eingeschlagenen Weg zu Ende geht wie er.“ Gemeint war Paul Schockemöhle.

Schockemöhle, der Jüngste aus der Dynastie der Schockemöhle-Familie, wirkt wie  ein Getriebener, immer am Werkeln, als gäbe es kein Morgen mehr. Er ist anders als andere. Genügsam, stets hilfsbereit und überaus zuverlässig. Einer, der zu seinem Wort steht. Als sein Bruder Alwin auf Ferdl in Rom 1960 zusammen mit Hans Günter Winkler und Fritz Thiedemann  Mannschafts-Olympiasieger wurde, nagelte Paul Schockemöhle  auf dem über 400 Jahre alten elterlichen Hof in Mühlen seine ersten Hühnerställe zusammen. Zwei Jahre später war er Europas größter Eierproduzent. Nach dem Abitur ging er zuerst einmal zur Uni Münster, dort belegte er die Fächer Betriebswirtschaft, Kreditverkehr und Buchhaltung. Nach dem ersten Semester und „sieben Scheinen“ sagte er: "Das reicht. Mehr kann ich hier auch nicht lernen." Mit Springreiten befasste sich der Mann aus Südoldenburg erst intensiv  mit 23 Jahren. "Ich bin kein Spätberufener", sagt er, "berufen war ich nicht."

Doch was er anpackt, macht ein Paul Schockemöhle mit abgrundtiefer Leidenschaft, Ehrgeiz und Verstand, aber auch mit Dickköpfigkeit. Was er als Springreiter und als Geschäftsmann erreichte, hat er sich alles allein erarbeitet. Als Gesellschafter verschiedener Firmen, aber vor allem mit seinem Gestüt. In der Zucht setzt er im Jahr rund 300 Millionen Euro um. Gut 5.000 Pferde besitzt er, 40 gekörte  Hengste, die Zucht ist Teil seines Lebens geworden. 1992 erwarb er in Mecklenburg-Vorpommern ein Areal von 3.300 ha, wo einst über 6.000 Kühe grasten, ist inzwischen die Heimat von 2.000 Pferden und Fohlen. Dort entstand  Gestüt Lewitz. 30.000 qm hat er überdachen lassen, dazu gibt es eine Halle von 17.000 qm. Schockemöhle ließ eine hochmoderne Veterinärstation errichten, die auch die Vermehrung durch Embryotransfer perfekt beherrscht. Die Pferde werden in Gruppen gehalten, ihrem Wesen entsprechend. Alles ist perfekt durchorganisiert, Schockemöhle gilt in der strukturschwachen Region als willkommener Arbeitgeber, für die Mitarbeiter ließ er auch zusätzlich Wohnungen bauen. Wenn er selbst kommt, bezieht er einen Container als Unterkunft.

Die Zucht hat den Sport abgelöst, „den habe ich hinter mir“, sagt er, auch wenn er immer noch als Coach gefragt ist, wie vor den Olympischen Spielen in Tokio 2020 vom japanischen Verband. Als Springreiter war er dreimal mit Deister Europameister hintereinander, was auch noch keinem anderen mit jeweils dem gleichen Pferd gelang, er war Vize-Weltmeister mit dem Team 1982 und bei Olympia Mannschafts-Silbermedaillengewinner  1976 in Montreal und Dritter 1984 in Los Angeles. Dazu sechsmal Deutscher Meister, und 61 Nationenpreise ritt er für Deutschland. Er hielt sich nie für einen begnadeten Reiter, „was ich habe und hatte, das ist Ehrgeiz, Kampfgeist und Gefühl für Pferde. Aber vielleicht arbeitete ich auch ein bisschen mehr als andere."

Nach der Wende interessierte sich Schockemöhle auch stark für die einstmals berühmte Galopprennbahn Hoppegarten vor den Toren Berlins. Die Anlage war heruntergewirtschaftet, das 440 ha große Areal befand sich in einem desolaten Zustand. Jährlicher Zuschussbetrieb in Millionenhöhe. Die ehemalige Vorzeigebahn stand durch die Treuhand zum Verkauf, Interessenten waren der Union-Club als eingetragener Besitzer, das Land Brandenburg und Paul Schockemöhle. Schockemöhle legte ein Konzept vor, mit dem die beiden Konkurrenten nicht mithalten konnten. Der Multi-Unternehmer versprach die Restaurierung und den Erhalt der Bahn auf Weltniveau – ohne Subventionen. Er plante außerdem die Errichtung einer Turniersportanlage, den Bau eines Hotels für Tagungen und einer Halle sowie die Schaffung einer Anlage für allgemeinen Sport und das Anlegen von genügend Parkplätzen, und er garantierte Arbeitsplätze. Dazu versprach er als Sahnehäubchen, sollte Berlin, was ja nicht eintrat, den Zuschlag zur Austragung der Olympischen Sommerspiele 2000 erhalten, Hoppegarten unentgeltlich für die Reiterspiele zur Verfügung zu stellen. Die Politik spielte nicht mit, Schockemöhle bekam Hoppegarten nicht, die Politik dürfte es längst bereut haben.

Nach der aktiven Zeit wurde Paul Schockemöhle auch Turnierveranstalter. 1988 erfand er mit dem Tennis-Mogul Ion Tiriac die "German Classics",  die "Riders Tour" ist auch seine Erfindung und größtenteils auch die Schaffung des Springreiter-Weltpokals.

Ein großes fast märchenhaftes Ziel hat sich Paul Schockemöhle trotz aller Erfolge zusätzlich gesetzt: Er möchte irgendwann die komplette Weltspitze im Springreiten auf Pferden seiner Zucht sehen. Bei der Europameisterschaft 2019 in Rotterdam waren es bereits zehn Prozent…

 


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