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Der Traum eines kleinen Mädchens (86) PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Dienstag, 21. Juni 2011 um 12:49

 

Strafe muss sein...

 

Reitverbot war die Konsequenz, die hatte Polly zu ertragen. Das Schlimmste für sie, was passieren konnte. Aber es war auch allzu heftig gewesen, was vor fast zwei Wochen im Reitstall Hubertus vorfiel.

 

Heute wusste Polly nicht einmal mehr, wie genau es zu dem Vorfall gekommen war, worauf sie Reitverbot erhielt. Eigentlich hatte sie selber damit auch gar nichts zu tun. Sie fühlte sich eigentlich nur als Beobachterin, allenfalls als Mitläuferin. Sie musste für etwas mitbüßen, was andere ausgefressen hatten. Das war die größte Ungerechtigkeit.

 

Am Sonntag vor fast zwei Wochen war alles, wie sonst auch. Die Erwachsenen veranstalteten ihr vormittägliches Musikreiten mit anschließendem Besäufnis. Die Kinder hatten schon, wie üblich, auf das Trockenreiten gewartet. Es waren für alle genug Groß-Pferde zum Trockenreiten da, weil an diesem Tag besonders viele Leute am Musikreiten teilgenommen hatten. Die Stimmung war sehr gut. Als dann noch gerade richtig zur Mittagszeit die Ausreiter  aus dem Gelände zurückkehrten und sich ebenfalls in der Tränke versammelten, war dort die Stimmung unter den Erwachsenen fast schon auf dem Höhepunkt.

 

Die Kinder durften sich Ponys aus dem Stall holen und selbstständig in der Reitbahn bewegen. Durch das Kantinenfenster hatte der Reitlehrer sie gut im Blick. Aber der passte eigentlich gar nicht auf, sodass die Kinder reiten konnten wie sie wollten. Das machte am meisten Spaß. Hierbei maßen sie sich gegenseitig. Jeder wollte der Beste sein. Einer legte mit einer Lektion vor, und die anderen versuchten sie nachzureiten. Pollys Ergeiz war bei Dressurlektionen am größten. Sie meinte, die Beste zu sein. Aber das war natürlich auch immer von dem jeweiligen Pony abhängig. Michi und Lisa waren dabei am einfachsten. Die Shetties hingegen benahmen sich oft strörrisch. Sie waren nun einmal nicht so rittig. Sie forderten aber Pollys Ergeiz erst richtig heraus.

 

Nachdem sie die Ponys anschließend versorgt hatten, tobten die Kinder in der leeren Reitbahn. Die vorgerückte Zeit am Sonntagnachmittag  hatte den Vorteil, dass die Stimmung bei den Erwachsenen in der Tränke nun besonders gut war und die sich dementsprechend großzügig zeigten. Die Kinder bekamen Cola und Schokoriegel, so viel sie wollten. Natürlich nicht von den eigenen Eltern. Aber von den Erwachsenen, die sich vor der Gesellschaft groß tun wollten und sich den Kinder gegenüber sehr spendable zeigten. Männer – meistens, natürlich.

 

So wuchs auch die Stimmung der Kinder immer mehr. Sie wurden immer ausgelassener. Aber sie waren es bald leid, durch den tiefen Sandboden zu rennen. Sie verließen die Reitbahn und schlenderten durch den Stall. Bei den Ponys fingen sie an. Sie reichten ihren Lieblingen eine handvoll Heu oder ein Zückerchen, wenn sie noch eines in den Taschen fanden. Dankbar schnaubten die Ponys. Von dort schlenderten sie an den Schulpferden vorbei, deren Nüstern sie durch die Stäbe streichelten. Dann kamen sie in den Stall mit den Privat- und Turnierpferden. Leckerlis hatten sie keine mehr, so dass sie nur die schnaubenden Nasen der Pferde streichelten. Sie beschlossen, durch die Scheune, wo sich noch aufgestellte Boxen befanden, hinter die Reithalle zu gehen. Dort befanden sich Geräteschuppen und der Unterstand für den Traktor.

 

In den Aufstellboxen waren auch zwei vorübergehend dort untergebrachte Zuchtstuten von einem Bauern und das braune Pferd, dass mit dem Super-LKW angeliefert worden war. Der Jaguar-Fahrer, der sein Pferd nur äußerst selten besuchte, sich gar nicht darum kümmerte, war schon länger nicht mehr dagewesen. Polly hatte seinen Namen vergessen. Aber das Pferd hieß Kassandra. Der Name stand auf einem edlen Messingschild an der Boxentür.

 

Den Kindern fiel auf, dass dieses angeblich so wertvolle Tier äußerst ungepflegt aussah: Mähne und Schweif waren viel zu lang. Das passte nicht zu dieser eleganten Stute. Da waren sich die Kinder einig. Polly konnte sich nicht erinnern, wer zuerst auf die Idee kam. Sie wusste nur noch, dass Anne sich anbot, den Putzkoffer zu holen. In der Zwischenzeit öffnete Harald die Boxentür, Andy griff das feine Lederhalfter und stülpte es Kassandra über. Er führte das große Pferd aus seiner Box und befestigte den Strick von außen an den Gittern. Anne war inzwischen mit dem Putzkoffer zurückgekehrt, und die Kinder untersuchten, mit welchen Utensilien Kassandra verschönert werden könnte.

 

„Damit kann man die Mähne verziehen“, sagte Petra und hielt einen kleinen metallenen Mähnenkamm hoch. „Das mit der gebogenen Klinge ist eine Mähnen-Schere“, sagte Rolf und hielt die Schere genauso in die Luft. Polly ergriff eine rosa Haarbürste. „Die will ich haben“, quäkte Maria und schnappte Polly die Bürste fort. „Damit darf man aber den Schweif nicht bürsten, sonst gehen alle Haare aus“, sagte Polly und suchte sich einen Striegel und Kardätsche. Sie wollte Kassandras Fell abbürsten. Marion fand einen ollen Pinsel, an dem sich noch etwas Huffett befand. Damit war klar, was sie machen würde.

 

Petra fing an, der Stute die Mähne zu verziehen. Das funktionierte nicht, weil sie viel zu lang war. „Die müssen wir erst mal mit der Schere kürzer machen“, riet Harald und fing am Widerrist an. Schnapp, ein großer Strang schwarzer Mähne fiel auf den Steinboden. Und noch einer und noch einer. „Pass auf, das ist zu kurz“, sagte Petra warnend. „Ich muss doch aber die Länge einhalten“, erwiderte Harald und schnitt mutig weiter. „Nicht zu viel abschneiden, sonst kann man nicht mehr verziehen“, warnte Petra erneut. Anne stimmte ihr zu. Aber Harald schnitt die Mähne bis zu den Pferdeohren auf eine Länge von nur noch zehn Zentimetern ab. Nicht nur das, sondern mit jedem Schnitt hatte er eine deutliche Ecke hineingeschnitten. Es sah fürchterlich aus: die Mähne wies eine Zickzack-Linie auf. „Das bekommen wir nicht mehr hin“, gab Petra auf. Die Kinder starrten entgeistert auf  den Verschnitt. Schließlich meldete sich Anne kleinlaut und bot an, es mit dem Verziehen durch den kleinen Mähnenkamm zu versuchen, „aber ich komme nicht dran. Das Pferd ist zu groß“. Rolf schleppte eine kleinen Strohballen heran, damit Anne sich darauf stellen konnte. Gott sei Dank, Kassandra blieb ganz lieb stehen. Anne machte sich ans Werk, wie sie es bei den Großen gesehen hatten.

 

Es war gar nicht so einfach, einen Mähnenstrang um den kleinen Kamm zu wickeln, um ihn dann herauszuziehen. Die Haare wollten sich aus der dicken Pferdehaut nicht lösen.  „Versuch es mit weniger Haaren“, schlug Polly vor. Sie hatte Recht, es funktionierte, dauerte aber auch länger. Dennoch war das Ergebnis nicht wesentlich besser. Eigentlich überhaupt nicht. Die Mähne wurde nur dünner. Anne taten die Hände weh.

 

Die umstehenden Kinder traten etwas zurück, um das Werk besser zu betrachten. Erst jetzt fiel ihnen  auf, dass Maria und Marion den Schweif von Kassandra zu bürsten versucht hatten und nicht nur das, sondern auch noch abgeschnitten hatten. Als Harald die Schere fallen ließ, nahm Marion sie auf und fing an, stufenweise von unten den Schweif zu kürzen. Die Schweifhaare aber waren ziemlich hart. Sie ließen sich nicht einfach wie Papier durchschneiden. Es ging nur in Etappen. Es gelang den kleinen Mädchen nicht, den Schweif gleichmäßig zu kürzen. Deswegen setzten sie immer wieder erneut an, wobei der Schweif von Kassandra immer mehr an Länge verlor. Jetzt endete er etwas über dem Sprunggelenk und war völlig unregelmäßig. Petra schrie auf, als sie das sah.

 

Die Mähne war versaut und der Schweif zu kurz! Was hatten sie nur getan? Und das mit einem fremden Pferd,  was ihnen nicht gehörte und  wozu sie nicht berechtigt waren. „Aber wir wollten doch nur das Pferd wieder verschönern“, jammerte Marion. Dabei weinte sie. Maria fing auch an zu flennen. Die Kinder waren entsetzt. Wie sollten sie die Verunstaltung des Privat-Pferdes rückgängig machen?

 

Guter Rat war teuer! Was jetzt? „Ich versuch`s noch mal“, sagte Anne. Sie rückte sich den Strohballen zurecht, nahm den Mähnenkamm und die Schere in die Hand, kletterte auf dem Ballen an und fing wieder an, die Mähne von Kassandra zu bearbeiten. Einzelne herausragende Strähnen zog sie mit dem Mähnenkamm heraus. Mit der Schere schnitt sie die Spitzen auf eine Länge, dabei legte sie ihre Hand so auf die Mähne, dass die eine Seite dort lag, wo die Mähne anfing. Auf der unteren Seite, was an der anderen Seite ihrer Hand nach unten überstand, schnitt sie mit der Schere ab. So brachte sie es fertig, dass die Mähne nun halbwegs so lang war, wie ihre Kinderhand breit. Sie konnte aber die herausgeschnittenen Ecken nicht mehr ausgleichen. Kassandras Mähne war kaum mehr fünf Zentimeter lang, hatte Ecken und stand in der Luft, weil sie sich nicht mehr anlegen ließ. Sie war zu kurz.

 

„Jetzt der Schweif“, sagte sie zu den anderen. Dabei befahl sie den Jungen, den Strohballen wegzuräumen, den Mädchen trug sie auf, schon mal die Sachen in den Putzkoffer zuräumen.

 

Nur die Schere behielt Anne in der Hand. Sonst musste sie immer für die anderen springen. In dieser Situation aber waren alle ihr dankbar, dass sie etwas unternahm, um das angerichtete Desaster zu beheben.

 

„Ich habe mal gesehen, wie Aggi dem Marco den Schweif schnitt“, sagte Polly kleinlaut. „Wie denn?“, fragte Petra aggressiv. „Weißt Du`s denn, wie`s geht?“, ranzte Rolf Petra an. Die wusste nichts zu sagen. „Aggi hat irgendwie die Schweifrübe hochgehalten“, sagte Polly vorsichtig.

 

Jetzt mussten die Jungs den Strohballen doch wieder holen, weil Anne sonst nicht an die Schweifrübe kam. Sie stellte sich darauf und drückte sie hoch. Das war zu schwer. Kassandra wollte nicht. „Lass mich mal“, sagte Harald und stieg auf den Strohballen.

 

„Dann fuhr Aggi mit der anderen Hand an Marcos Schweif herunter und hielt ihn am Ende fest und schnitt einfach ab. Dann war er gerade“, erklärte Polly. „Mach mal. Ich halt die Rübe hoch“, ordnete Harald von oben herab an. Polly umfasste die Schweifhaare oben an der hochgehaltenen Rübe und fuhr dann langsam mit beiden Händen am Schweif herunter. Unten, über dem Sprunggelenk, hielt sie das Ende fest. Jetzt versuchte Anne das Schweifende gleichmäßig abzuschneiden. Sie hatte das selbe Problem wie die die anderen kleinen Mädchen, die aufgehört hatten zu weinen. Die Schweifhaare waren sehr hart. Anne schnitt wieder und wieder. Letztendlich war der Schweif dreißig Zentimeter über Kassandras Sprunggelenk abgeschnitten. Gleichmäßig sah anders aus. Aber Anne hatte ihr Bestes gegeben, den Schaden zu beheben.

 

Nun bekamen alle Angst. Die Mähne zu kurz und hochstehend, dazu mit Ecken, der Schweif viel zu kurz und ungleichmäßig! Das würde Ärger geben.

Kassandra sah schrecklich aus.

 

Kleinlaut brachten sie das Pferd des Jaguar-Fahrers in die Box. Das Putzzeug räumten sie auf. Dann gingen sie in die Tränke an ihren Tisch. Den ausgelassenen Erwachsenen fiel gar nicht auf, dass die Kinder ungewöhnlich still waren. Sie feierten, als wäre Rosenmontag.

 

Am Montag darauf, als die Kinder noch in der Schule waren, erhielten alle Eltern einen Anruf, sie möchten sich doch um 19 Uhr in der Tränke einfinden und die Kinder mitbringen.

 

Polly wunderte sich, dass sie nicht zum Ponyreiten durfte, aber um sieben Uhr abends mit ihren Eltern in den Reitstall fuhr. Sie dachte, vielleicht dürfte sie gar mit den Großen reiten. Sie freute sich.

 

Die Eltern hatten auch keine Ahnung, um was es ging. Sie meinten, nach dem lustigen Sonntagnachmittag würde vielleicht ein Reitverein gegründet. Die Eltern wunderten sich lediglich, dass sich die Kinder so still verhielten.

 

Herr Lichtenhügel, der Stall-Eigentümer, Herr van Hopps, der Reitlehrer, Joachim, der Hilfsreitlehrer, der am Sonntag gar nicht im Stall gewesen war, und Pferdepfleger Pitter bauten sich in  der Tränke in einer Reihe vor den Eltern auf.

 

Von ihrem Tisch aus vernahmen die Kinder Gesprächsfetzen wie „Eigentum, Respekt, Schadensersatz, Strafe, Anzeige, Beschädigung, Gefängnis, Erziehungsheim, Wiedergutmachung.“ Ihnen verging Hören und Sehen. Die kleinen Mädchen fingen wieder an zu weinen. Anne, Petra und Polly schauten sich an. Alle waren schneeweiß im Gesicht. Die Jungs lachten nicht mehr. Auch sie waren schneeweiß. Pure Angst, ein ganz schlechtes Gewissen.

 

In diesem Moment flog die Tränkentür vom Stall her auf und der Jaguar-Fahrer stürmte herein. Ausgerechnet Heute!!!!!

 

Unter den Erwachsenen brach großes Geschrei los. Joachim und Herr van Hopps mussten den Jaguar-Fahrer festhalten, sonst wäre der auf die Eltern losgegangen. Der Jaguar-Fahrer brüllte nur herum, schrie von Unverschämtheit, blöden und unerzogenen Kindern, er bekam sich kaum noch ein.

 

Aufgrund der Verschönerungs-Aktion an Kassandra durfte Polly zwei Wochen nicht in den Stall. Alle Kinder mussten ein Entschuldigungs-Schreiben verfassen an Herrn Wagner, so hieß der Eigentümer der edlen Stute, unterschrieben von allen Beteiligten. Außerdem mussten sie von nun jeden Tag Kassandra putzen, einschließlich Hufe auskratzen und Sattelzeug pflegen, ein halbes Jahr lang. Bis Weihnachten! Das hatte Herr Wagner gefordert. Dafür sah er von eine Anzeige ab. Das Nachwachsen des Schweifes würde viel, sehr viel  länger dauern.

 

Polly nahm sich vor, niemals mehr ein fremdes Pferd  einfach aus der Box zu holen.

 

(Fortsetzung folgt....)

 

 

 


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